Das dentsche Reith und seine einelntn Glieder. (März 13.) 71
Der zunächst ziemlich unmotivirte Ausfall gegen den Marine-
minister v. Stosch erregt großes Aufsehen. v. Stosch sieht sich da-
durch veranlaßt, dem Kaiser fein Entlassungsgesuch einzugeben.
13. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Debatte über eine
Interpellation bezüglich des von der Regierung gegen den Redacteur
Kantecki wegen Veröffentlichung eines Actenstücks, von der sie an-
nimmt, daß sie nur durch Verletzung des Amtsgeheimnisses eines
Postangestellten habe erfolgen können, eingeleiteten Zeugnißzwangs
durch Verhaftung. Die Antwort der Regierung, die auf der Maß-
regel beharrt, befriedigt die Majorität des Reichstags nicht.
Etatsberathung: Etat des Reichskanzleramts: Dabei kommt
der (fortschr.) Abg. Hänel nochmals auf die Frage der Reichsmini-
sterien zurück und veranlaßt den Reichskanzler zu einer neuen Aus-
lassung über die Frage der Organisation des Reichs:
änel: Wenn ich den dem Reichskanzler näher stebenden Parteien einen
Rath zu geben hätte, so wäre es der, dem Reichskanzler immer mehr und
mehr drängend zu wiederholen, er möge für die Möglichkeit seines Nach-
folgers sorgen. Das, was der Reichskangler heute noch zu leisten im Stande
ist, beruht auf der ganz exceptionellen Stellung, welche seine Verdienste ihm
eingeräumt haben. Einen Nachfolger kann der ? eichskanzler in Einer Per en
ar nicht haben; er kann nur Einrichtungen zum Nachfolger haben, we
auf normale Durchschnittsmenschen berechnet sind; er mag solche Einrichtun *
vielleicht schematische nennen, er darf aber ni t vergessen, daß unter lwöhn.
lichen Verhältnissen und bei gewöhnlichen Menschen derartige schematische Ein-
richtungen, die auf eine Summe von Erfahrungen im politischen und con-
stitutionellen Leben basirt sind, allein im Stande sind, die Dauer und die
icherheit der künftigen Entwickelung des deutschen Reiches zu ermöglichen.
Reichskanzler Fürst Bismarck: Der Vorreduer hielt mir vor, hätte
in meinen Aeußerungen über die Reichsministerien mehrere Male gewechselt.
Das ist ja wohl möglich. Ich will U/hn! hger noch mehr zugeben: ich habe
in meinen Ansichten darüber hencchsell Ich bin nicht unbescheiden genug,
mich mit jenem alten heidnischen Gotte zu vergleichen, aus dessen Kopfe eine
Minerva vollständig geharnischt hervorsprang, und auch die mit mir an der
Sache gearbeitet haben, konnten die Prätension nicht haben, daß die Sachen
bereits fix und fertig wären, nicht einmal die, daß sie auf einem so bekannten
Terrain sich befänden, daß fie das zu erreichende Ziel in vollständig correlter
Form vor sich hätten. Daß es Leute mit dieser Prätension gegeben hat, hat
uns die Geschichte gelehrt und namentlich im Jahre 1848 vor Augen geführt,
wo in Frankfurt die gescheidtesten, jedenfalls aber die gelehrtesten Leute ver-
sammelt waren. Es hatte damals Jeder sein Ideal, wie die Sache werden
sollte, im Kopfe fertig; aber wie die Schluchten und Ströme, die zwischen
ihm und diesem Ziele lagen, iu bewöltigen. seien, das überließ er Anderen.
Ich halte es also nicht für eine Schan nn ich mich auf dem Gebiete
der Muslilbung) unserer Verfaffung zuande 6 einen Schüler der Erfahrung
betrachte. Wer mit einer gröheren Dreistigkeit die Führung solcher Dinge
übernimmt, ah, vielleicht schnellere Set erreichen, aber es T ihn dies
auch leicht in dieselben Klippen und Versandungen führen, in denen wir
nach der großen Hoffnung von 1848 ein halbes Menschenalter gearbeitet und
in denen wir uns nach dem Aufschwunge von 1813 ziemlich hülflos u