D besische Reich und seine einfelnen Glirder. (April 12—13.) 89
wärtigen Angelegenheiten dem Staatssekretär im auswärtigen Amte, die Ver-
tretung in der preußischen Verwaltung dem Bicepräsidenten des Staatsmini-
steriums übertragen. Durch diese Anordnungen dürfte dem vollauf berechtigten
Anspruche des Kanzlers auf Ruhe und Wiederaufrichtung seiner erschütterten
Gesundheit und gleichzeitig dem Interesse des Reichs und den Wünschen des
deutschen Volks, soweit möglich, Befriedigung gewährt sein: so schwer auch
die zeitweilige Abwesenheit des Kanzlers, namentlich wahrend der so eben
wieder ausgenommenen Reichstagssession, empfunden wird, so dürfte doch auch
die Reichsvertretung das Vertrauen und die Unterstützung, welche sie dem
Kanzler jederzeit gewährt hat, auch in diesem Augenblicke durch die volle
Rücksichtnahme auf die unausweichlichen Schwierigkeiten der Lage und durch
die Bereitwilligkeit zur Erleichterung derselben bethätigen und sich mit dem
Kaiser in dem Wunsche vereinigen, den hochverdienten Kanzler bald mit er-
neuter und frischer Kraft zur vollen Ausübung seines Berufs für Preußen
und Dechlen Frückkehren zu sehen.“
er Präsident des preußischen Abg.-Hauses und einer der Führer der
national (Ueralen Partei, v. Bennigsen, hat an diefem oder dem vorher-
gehenden Tage eine lange Unterredung mit dem Reichskanzler, deren Resultate
er in seiner Rede im Reichstage am In. d. M. andeutet. In Folge dieser
Unterredung widersetzen sich, wie die Blätter wissen wollen, die National=
liberalen auf ausdrücklichen Wunsch des Fürsten dem Antrage der Fortschritts-
partei — der deßhalb gar nicht eingebracht wird — auf Vorlegung eines
Ministerverantwortlichkeits-Gesebes. Dafür ist Herr v. Bennigsen zu der ver-
traulichen Mittheilung an seine Fractionsgenossen ermächtigt, daß in Bälde
das Reichs- Finangamt mit dem preußischen Finanzministerium
vereinigt werden und der preußische Finan minister der geborene
Reichskongleramts-Präsident sein solle. Es stände also die Demis-
sionirung des Herrn Hofmann und die Gmseiluung des Herrn Camphausen
zum Reichskanzleramts-Präsidenten zu erwarten. Hieraus. würde sich erklären,
aß in dem vom Fürsten Bizmarck an den Präsidenten des Reichstages ge-
richteten Schreiben der Name des Herrn Hofmann nicht genannt ist, sondern
nur sein Amt. Eine so tiefgreisende organische Aenderung wie die Ver-
einigung des — noch nicht vorhandenen — Reichs-Finanzamtes mit dem
preußischen Finanzministerium kann jedoch wohl nur auf legislativem Wege
und schwerlich in Abwesenheit des Fürsten Biomarck vollzogen werden. Die
Maßregel würde also jedenfalls nicht so nahe bevorstehen.
12. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Auf Anregung der
Nationalliberalen treten aus sämmtlichen Parteien Delegirte zusam-
men, um die Mittel der Abwehr gegen die Wiedereinführung eines
Eisenzolles von 75 Pf. pro Centner (Retorsionszoll) zu berathen.
Die preußische Vorlage wird im Bundesraths-Ausschuß schon in den
nächsten Tagen berathen und hier, wie im Bundesrath, angenommen werden,
so doß sie schon Anfangs lnft Woche an den Reichstag gelangen wird.
Welches Schicksal die Worage im Reichstag haben wird, 9 sich nicht vor-
hersagen, da bis auf die Fortschrittspartei alle Parteien gespalten sind. Die
Mehrheit der Nationalliberalen ist gegen die Vorlage, die Mehrheit der Frei-
conservativen und des Centrums mit den Sozialdemokraten für dieselbe, die
unabhängigen Conservativen sind Gegner. Im Enderralh gehören Oldenburg,
Mecklenburg, die Hansastädte und D#den zur Opposition.
13. April. (Deutsches Reich.) Reichstag: Debatte über das
Schreiben des Reichskanzlers vom 11. April: