178 Pas deuische Reich und seine einzeluen Glieder. (Nov. 9.)
kleine Coterie von einigen Dutzend meist mit einander verwandter adeliger
Nittergutsbesiyer so ziemlich nach Lust und Belieben alle Entscheidungen trifft
und sämmtliche Landtagsangelegenheiten erledigt. Alles möglichst beim Alten
zu lassen und die Bestimmungen des deutschen Reichstags recht widerwillig
und mit so großen Beschränkungen auszuführen, wie dieß nur irgendwie an-
geht, ohne sich ciuer ernsten Rüge von Verlin her auszusehen, ist das Haupt-
bestreben dieses Landtags, welches alle Beschlüsse desselben charakterisirt.
9. November. (Preußen.) Während alle Anzeichen, die für
einen Fortgang der Ausgleichsverhandlungen mit der Curie sprechen,
von der öffentlichen Meinung sorgfältige Beachtung finden, werden
auch die charakteristischen Symptome der Fortdauer des Cultur-
kampfes in der inneren preußischen Verwaltung nicht übersehen.
Ein solches liegt in einem Rescript des Cultusministers Dr. Falk
vom pP. d. M. als Antwert auf eine wiederholte Eingabe des Clerus
der Diöcesen Münster und Paderborn in Betreff der Anordnungen
der Staatsregierung bezüglich der Ertheilung und Leitung des katho-
lischen Religionsunterrichts in Volksschulen, bezw. an Seminarien,
und der Prüfung von Lehrern und Lehrerinnen in der katholischen
Religionslehre. Der Minister weist die zahlreichen einzelnen Be-
schwerdepunkte als unbegründet zurück. Im allgemeinen Theile des
Rescripts heißt es:
„Nur darauf muß ich gegenüber dem Auspruch der Petenten auf ein
ausschließliches Recht der katholischen Kirche „„hinsichtlich der Feststellung
der Bedingungen, unter welchen die katholische Neligionsleh re in den staat-
lichen Schulen Gegenstand des Unterrichts sein könne,“ noch einmal nach-
drücklichst hinweisen: daß ein jolcher Anspruch in den Rechtsnormen des
preußischen Staates, deuen auch die ktholische Kirche unlerworfen ist, keine
Stütze findel. Das von den Unterzeichnern der Eingabe in dieser Beziehung
branspruchte —#Dominiumt,. der katholischen Kirche erweist sich somit als völlig
altlos. Die Erklärung der Petenten, daß „„sie die Ertheilung des schul-
Valolonen Religionsunterrichts in Simultanschulen in keinem Falle selbst
übernehmen, auch Niemandem den erforderlichen kirchlichen Auftrag dazu
ertheilen würden,"" läsßt sich schwer vereinigen mit der seit Jahren an vielen
höheren und niederen Schulen des Landes geübten gegentheiligen kirchlichen
Praxis und mit dem wohlverstandenen Interesse der katholischen
Bevölkerung, besonders an solchen Orten, wo diese in der Minderzahl sich
befindet. Das aber erhellt aus dieser Erklärung unzweifelhaft: daß Sie und
die Mitunterzeichner der Beschwerde vermeintlichen formalen Rechtsansprüchen
gegenüber eine geordnete religiöse Unterweisung der Ingend in der Bolks-
schule, auf welche ich meinerseits das entscheidendste Gewicht lege, als etwas
Untergeordnetes erachten.“
Das Schreiben des Ministers gelangt in einer Versammlung
des Klerus der beiden Diöcesen am 18. d. M. zur Verlesung. Diese
nun lehnt ihrerseits wiederholt die Betheiligung an Schuleinrich-
tungen ab, welche nach ihrer Ueberzeugung die schlimmsten Folgen
für die katholische Kirche haben müssen. Die Ertheilung des katho-