Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

D deutsche Reich und seme einzelnen Glieder. (März 21—27.) 105 
nach der Lage der Gesehgebung für die Reichslande kaum eine einzige Maß- 
regel sein wird, die ohne einen Act der Gesetzgebung vollzogen werden könnte; 
für die .kriserliche Verordnung dürfte in allen diesen Fragen kein Spielraum 
sein. Die Verlegung der Abtheilung für Elsaß-Lothringen wäre ja gesetlich 
leicht u machen. Aber es wird nicht thunlich sein, nur so die kahle Vet 
theilung dorthin zu schicken, wir müssen ihr eine Spitze von höherem Ge- 
wichte geben, wir müssen einen Statthalter dorthin senden, worunter ich nicht 
eine selbstständige fürstliche Existenz, sondern einfach das verstehe, was das 
Wort besagt: einen Statthalter, auf den aber ein Theil der Rechte, die nach 
dem französischen Rechte dem Landesherren zustehen, übertragen werden kann. 
Das französische Recht erfordert bekanntlich das persönliche Einschreilen des 
Landesherrn, seine Unterschrift in sehr viel weiterer Ausdehnung als irgend 
eine analoge deutsche Einrichtung. Ohne Schädigung kann ein großer Theil 
dieser Rechte eine Statihalter übertragen werden. Es ist dringend noth- 
wendig, daß die Reichslande einen festen, sozialen und polilischen Mittel- 
punkt haben, und eine Behörde mit mehr Machtvollkommenheit als der Ober- 
Präsident, die mit den Einwohnern im directen Verkehr von Mann zu Mann 
steht. Ich stimme für die Herstellung einer Statthalterei mit einem verant- 
wortlichen Ministerium, das 3 bis 4 Abtheilungen haben kann, ohne daß es 
gerade 3 bis 4 Beamte mit Ministerrang zu haben braucht, sondern Ministerial 
directoren, ähnlich wie ein Großherzogthum von ähnlicher Größe. Die schwie- 
rige Aufgabe ist die Berbindung dieser Organisation mit dem Landesherrn, 
der seine Nesidenz doch nicht, oder nur vorübergehend dahin verlegen kann. 
Es wird also unabweislich sein, daß beim Landesherrn sich mindestens ein 
Cabinetsrath befindet, der den Vortrag hat und die Unterschriften herbei- 
führt, soweit kaiserliche Unterschriften erforderlich sind. Soll dieser Cabinets- 
rath in Beziehung zum Reichskanzler treten oder nicht? Eine bestimmte 
Maeiuung tam ich darüber nicht äußern, sondern nur sagen, daß der Wunsch 
Sr. Maj. Kaisers sein würde, den Reichskanzler nicht absolut ansge- 
schlossen zu 2 sondern sich die Möglichkeit zu wahren, über die Zweck- 
mäßigkeit der Allerhöchsten Holhiehung mit dem Kanzler in Verbindung zu 
treten. Indessen es kann das ja auch eine rein persönliche Beziehung sein, und 
ich habe meinerseits nichts dawider, soweit es Se. Majestät befehlen würde, 
aus der Stellung eines Reichskanglers in die eines Cabinetsraths oder eines 
Adjutanten zurückzutreten. (Heiterteit. Eine amtliche Klarlegung dieses 
Punktes wäre kaum erforderlich und für mich kaum erwünscht, weil dann 
doch die Verantwortlichkeit schließlich immer wieder schwerer auf ich fallen würde, 
und ich möchte mich soweit davon abstellen wie ich will — es würde immer 
gelten post equitem sedet atra cura. Die zweite von dem 7 Hru. Red- 
ner gestellte Frage, die der Initiative des Landesausschusses. bin ich ebenso 
unbedenllich zu bejahen bereit, wie die der Verstärkung. Es fragt sich nur 
ob letztere durch Zuziehung von zwei oder drei Bezirksvertretungen oder durch 
eine Ergänzung aus einem anderen Wahlmodus, z. B. aus dem Kreistage, 
erfolgen soll. Aber im Princip, um dessen Feststellung es sich doch heute 
nur handelt, habe ich keine Bedenken gegen die Initiative und die Verstärk- 
ung. Auf diese principielle Aeußerung des Landesherrn durch meinen Mund 
als den des Ministers kommt es hier doch allein an, denn ehe wir den Do- 
lails näherlreten, würden ja formulirte Paragraphen und gesebhgeberische 
Vorlagen an den sp# treten müssen. Eine der schwierigsten Fragen 
ist die Stellung des Reichslandes zum Bundesrath. Jede Berechtigung für 
das Reichsland, Mitglieder des Bundesraths zu ernennen, wenn sie ebenso 
ausgeübt werden soll wie für die übrigen Bestandtheile des Reichsgebietes, 
würde doch in letzter Instanz nichts weiter sein, als eine Erhöhung der preußi: 
schen Stimmen von 17 auf 19 oder 20; denn Se. Maj. der Rahher kann un- 
  
 
	        
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