160 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 14.)
staltung der bisherigen Landesvertretung und deren Theilnahme an der ge-
sebgebenden Gewalt und in der Vertretung der reichsländischen Interessen im
Bundesrath. Die Aeuderungen in der Einrichtung der Verwaltung, welche
der Entwurf in den §§. 1 —10 in Vorschlag bringt, haben den Zweck, den
Sib der Regierung in das Land selbst zu verlegen, und jowohl den Träger
der Staatsgewalt in den Stand zu sehen, einen Theil der Befugnisse des
Staaloberhauptes zu delegiren, als den Neichskanzler von der ihm übertra-
genen constitutionellen Verantwortung für die Leitung der Landesverwaltung
zu entlasten. Diese Aeuderungen bestehen in der Berufung eines Statthal=
lers, der Errichtung eines Ministeriums in Straßburg, und der Einrichtung
eines Staatsraths daselbst. Die dem Kaiser eingeräumte Befugniß, einem
Statthalter die Ansübung der Staatsgewalt zu übertragen, soll nicht
die Bedeutung einer Entäußerung dieser Gewalt haben, sondern nur die Mög-
lichkeit gewähren, die Vornahme bestimmter einzelner Negierungsacte, welche
das Staatsoberhaupt nach den bestehenden Gesetzen zu vollziehen hat, einem
Stellverltreter zu übertragen. Der Kaiser bleibt, nach wie vor in vollem
Umfange de jure Träger der Staalsgewalt. Demgemäß ist die Delegation
facultativ, und Art und Umfang der Gewalten, mit deren Ausbildung der
Statthalter zu betrauen sein möchte, ebenso in die freie Entschließung des
Kaisers gestellt, wie die Wahl der Person und die Dauer der Vollmacht.
Welche einzelnen landesherrlichen Befugnisse dem Statlhaller zu delegiren
sein werden, soll durch kaiserliche Verordnung festgestellt werden. Die Fest-
siellung durch Gesetz würde weder dem facultativen Character der Einrichtung
enlsprechen, noch zweckmäßig sein, weil Inhalt und Umfang der Vollmacht
e nach dem Bedürfniß, und den bejonderen Zeitumständen wechseln können.
Die innere Versassung des Ministeriums ist derjenigen des bisherigen
Reichskanzleramles für Elsaß-Lothringen darin gleich, daß der als Staats-
-ecretär an der Spitze stehende Beamte die Rechte und die ministerielle Ver-
autwortlichkeit eines dem Reichskanzler substituirten Stellvertrelers hat, zu-
gleich mit der Beschränkung, daß es dem Statthalier freisteht, jede Amts-
handlung, welche in die Zuständigkeit des Neichstanzlern fällt, der Stellver-
tretung ungeachtet, selbst vorzunehmen. Was die Ablheilungen des Mini-
sleriums belrifft, so sind zunächst drei in Aussicht genommen: für das Innere
und das ünterrichtswesen, für Instiz und Lultus, und für Finanzen und
öffentliche Arbeiten. Die Einrichtung eines Staatsraths, welche der Ent-
wurf in Vorschlag bringt, ist zunächst darauf berechnet, ein berathendes und
begutachtendes Organ in ähnlicher Weise zu schaffen, wie der französische
Staatsrath es bildet, wenn auch mit einer anderen Begrenzung der Thätig-
keit. Sie ist aber auch, abgesehen von diesem Vorgang, wegen ihrer Zweck-
mäßigkeit und wegen des besonderen Nutzens, welchen sie unter den eigen-
thümlichen Verhältnissen in Elsaß-Lothringen zu bieten verspricht, empfehlens-
werth. Es wird nicht zu bezweifeln jein, daß die allseitige und gründliche
Erwägung der an die gesengebenden Factoren zu bringenden Regierungsvor-
lagen mehr gesichert ist, wenn die Vorbereitung nicht bloß dem einzelnen
Mausteraln sor überlassen, sondern wenn die Vorberathung einem Collegium
übertragen ist, in zvelchemn Geseh= und Geschäftskenntniß, Einsicht in die Be-
dürfnisse des Landes und eine gesicherte, möglichst dem politischen Partei-
kampf entrückte Lebensstellung sich znsammenfinden. Anregung und erster
Entwurf werden sachgemäß auch hiebei dem betreffenden Ressortminister in
der Regel zufallen; die nothwendige rüfung, aber, ob die Gedanken des Ge-
sebes icse und förderlich seien, sie mit der bestehenden Gesehgebung
t. Einklang stehen, welche Rückwirkung sie auf die in anderen Ressorts ver-
walteten Interessen des Landes ausüben werden, endlich ob sie in der
Fassung den gewollten Ausdruck gefunden haben, reicht in # Ansprüchen