Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Das deulsche Reich und seine einzelnen Elieder. (Oct. 14.) 247 
lande halten wollte. Von der Geistlichkeit insbesondere erwarte ich, daß 
Sie dem Worte der Schrift gemäß die Obrigleit als von Gott gesetzt aner- 
kennen und Ehrfurcht und Gehorsam gegen sie üben und lehren wird, nicht 
um in der äußeren Form, sondern, wie der Apostel es ausspricht, des Herrn 
wegen, also in Wahrheit und mit dem Hergen.“ Zu den Beamten der Ver- 
waltung gewandt hebt der Statthalter hervor, daß es nicht genüge, der all- 
gemeinen Beamtenpflicht gemäß alle Kräfte dem Wohle des Landes zu widmen; 
vielmehr sei eine besondere Ehrenpflicht gegen ganz Deutschland zu erfüllen, 
so daß auch der am meisten an Frankreich hängende Elsaß-Lothringer die 
Vorzüge der deutschen Verwaltung anerkennen müsse. An die Justizbeamten 
wendet sich der Statthalter mit den Worten: „Gerechtigkeit soll das Land 
regieren. Das ist der Grundsatz der deutschen Nechtspflege. Von den Lafayette'- 
schen Liberté Fraternitc Egalité haben die beiden ersteren sich vielfach als 
Phrase erwiesen; die Egaliré hat sich behandtet als Gleichheit vor dem Ge- 
setze, und so soll sie auch hier ihr Recht behalten." Zu den Lehrern sagt er: 
„Sie haben eine schwere, vielfach dornenvolle Aufgabe, bei der Sie sich oft 
mit der conscientin recti begnügen müssen; aber ehrenvoll ist sie, denn in 
Ihrer H liegt vorzugsweise die Zukunft des Landes, da Sie das künftige 
t herurgubien haben. Verlieren Sie dieses hohe Ziel nie aus den 
14. October. (Deutsches Reich.) Zur Theilnahme an den 
Berathungen des Bundesraths über das Strafvollzugsgesetz haben 
sich bereits Commissäre der Mittel= und kleineren Staaten in Berlin 
eingefunden. Obschon die Bundesstaaten mit den Grundzügen des 
Gesetzes einverstanden sind, werden jetzt vielfach finanzielle Bedenken, 
sowie Einwände gegen die geplante Reichsaussicht erhoben, so daß es 
fraglich ist, ob nicht Aenderungen beliebt werden, die leicht das 
ganze Gesetz illusorisch machen könnten. 
14. October. (Preußen.) Die orthodoxe Mehrheit der 
General-Synode hat bereits eine Reihe von Anträgen unter sich ver- 
einbart, die zum Theil sehr weit gehen. Dagegen constituirt sich 
nunmehr auch eine Fraction der Linken, welche jedoch vorläufig nur 
aus 8 ost= und westpreußischen Mitgliedern besteht, und den Namen 
Grupde er Linken“ annimmt. 
# jebt sind es 16 Anträge, horr welche sich die Majorität der 
Generallwind unter sich vereinbart hat; ihre Zahl wird aber wohl noch 
steigen. Man will die „Instruction des ee, 3abl zur Kinchengemeinde) 
und Synodalordnung“ in wichtigen Punkten amendiren. Beabsichtigt waren 
auch Anträge, nach denen das Placet des Cultusministers bei Kirchengesetzen 
aufgehoben werden soll, die Besehung der höheren kirchenregimentlichen Stellen 
nicht mehr, wie bisher, an die Gepenzeichnung des l#nltuszuiniter, sondern 
an den Beirath des Generalsynodal-Vorstandes zu binden sei; daß die gene- 
relle Mitwirkung des Provinzialsynodal-Vorstandes bei Besetzung der Super- 
intendenturen eingesührt daß bei der Besehung! der theologischen Professuren 
irche das Recht der Mitwirkung ertheilt; daß eine Klarstellung der 
Ressortverhältniss von Regierungen, Consistorien und Synoden vorbkreiner 
t jedoch in einzelnen Kreisen der Synode der Gedanke erwogen 
werder 8 nicht angemessen sei, dem Umstande Rechnung zu tragen, daß 
durch solche Anträge leicht dem gegenwärtigen Cultusministerium Schwierig- 
 
	        
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