Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

306 Das deulsche Reich und stiue einzelnen Glieder. (Dec. 31.) 
jenigen Bestimmungen des Zollearkells, welche mit dem Erlöschen des Han- 
delsvertrags der geseplichen Grundlage entbehren. Die Erklärung der öster- 
reichisch-ungarischen Regierung auf diese Vorschläge verzögerte sich dadurch, 
daß dieselbe zunächst im Wege der internen Gesetzgebung eine umfassende 
Ermächtigung zur provisorischen Regelung der Handelsbegiehungen zu 
Deutschland für sich erwirkte. Die demnächst um die Mitte des Monats De- 
zember abgegebene Erklärung der genaunten Regierung gieng dahin: daß sie 
zwar in die von Deutschland bezeichneten Einschränkungen in der Vertrags- 
verlängerung einwillige, bei dieser Sachlage aber auch ihrerseits einige Punkte 
bezeichnen müsse, begüglich deren in den bisherigen Vertragsbestimmungen 
Aenderungen vorzunehmen seien. Einerseits könne Oesterreich-Ungarn eine 
Verpflichtung hinsichtlich der dem Veredelungsverkehr bisher vertragsmäßig 
eingeräumten Begünstigungen nicht ferner übernehmen, wenn die für die 
Einfuhr böhmischer Rohleinen von Deutschland seither gewährte Zollfreiheit 
aufgehoben werde. erner könne eine Verpflichtung rücksichtlich des im 
Handelsvertrage vereinbarten Verbotes der Anwendung nicht publicirter 
Tarifbegünstigungen im Eisenbahn-Verkehr, welches seiner Zeit von Oester- 
reich-Ungarn als Gegenconcession gegen die von Deutschland zugestandene 
Arrestfreiheit der Eisenbahn-Waggons gewährt sei, nach Wegfall der letzteren 
nicht aufrecht erhalten werden. Die diesseitige Entschließung über diese Gegen- 
vorschläge war von der vorgängigen Vergewisserung über die auf öslerreichisch- 
ungarischer Seite beabsichtigte antonome Regelung des Veredelungsverkehrs 
abhängig. Die hierüber erforderte Auskunft wurde dahin ertheilt, daß der 
Appreturverkehr noch sechs Wochen nach dem 31. Dezember 1879 die bis- 
herige Zollfreiheit genießen, von da ab für die übrige Dauer des Proviso- 
riums einem sogenannten Appretur-Zoll von 14 Gulden pro 100 Kilo für 
gefärbte oder gedruckte Gewebe unterliegen jolle. Nachdem diese Aufklärungen 
seitens der österreichisch-ungarischen Regierung, unter Wahrung des giechts 
zu autonomer Regelung des Veredelungsverkehrs, ertheilt waren, glaubte die 
kaiserliche Regierung, von dem Wunsche geleitet, eine Unterbrechung in den 
Vertragsbeziehungen gegenüber Oesterreich-Ungarn möglichst zu vermeiden, 
dem Entwurfe des Provisoriums in der von Oesterreich-Ungarn vorgeschlagenen 
Fassung zustimmen zu sollen. 
Da mit dem 1. Jannar 1880 der neue deutsche Zolltarif vollständig. 
in Kraft tritt, ist es von Wichtigkeit über die zoll= und handelspoli- 
tischen Vertragsverhältnisse zwischen Deutschland und den 
europäischen Staaten orientirt zu sein. Deutschland bal als noch gültig 
abgeschlossen: 1) mit Oesterreich-Ungarn den Meistbegünstigungsvertrag 
(vom 16. December 1878) gültig bis 30. Juni 1880, jedoch mit Ausschluß 
der Bestimmungen über Zollfreiheit von Rohleinen, über Refactien bei 
Eisenbahn-Tarifen, über Beschlagnahme von Eisenbahn-Fahrbetriebsmitteln, 
owie über den Veredelungsverkehr, dessen Fortdauer beikerseits autonom ge- 
regelt wird; 2) mit England einen Meistbegünstigungsvertrag (vom 30. Mai 
1865), ursprünglich geschlossen bis zum 30. Juni 1877, jedoch stillschweigend 
verlängert bis zum Ablauf eines Jahres nach erfolgter Kündigung; 3) mit 
Italien einen Meistbegünstigungsvertrag (vom 31.Derember 1865), ursprünglich 
abgeschlossen bis zum 30. Juli 1875, jedoch nach und nach verlängert, zulezt 
bis zum 31. er 1880; 4) mit Frankreich einen unkündbaren Meist- 
begünstigungsvertrag (Art. 11 des Frankfurter Friedensvertrags vom 10. Mai 
1871), welcher sich aber nur auf solche Begünstigungen erstreckt, die der eine 
oder der andere der vertragschließenden Theile an England, Belgien, die 
Niederlande, die Schweiz, Oesterreich-Ungarn oder Rußland bewilligt hat, 
oder noch bewilligen sollte; 5) mit den Niederlanden einen Meistbegünstig- 
ungsvertrag (vom 31. December 1851), ursprünglich abgeschlossen bis zum 
  
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.