Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

350 Die Gesterreichisch-Augarische Monarchir. (Oct. 27.) 
den Sihungen des Herrenhauses theilgenommen. Von den 202 Mitgliedern, 
welche das Haus zählt, waren an 150 erschienen. Auch alle vier Cardinäle 
Oesterreichs waren anwesend, auf der Ministerbank das gesammte Ministerium. 
Zuerst verliest der Berichterstatter der Mehrheit, Ritter v. Hasner, den 
Adreßentwurf der Mehrheit der Adreßcommission, der Berichterstatter der 
Minderheit, Frhr. v. Hübner, den der Minderheit. Da Niemand nach 
Eröffnung der Generaldebatte sich zum Wort meldet, so wird sogleich zur 
Specialdebatte übergegangen. Absatz 1 wird mit Mehrheit angenommen: 
dagegen stimmen die Rechte und auch die Erzherzoge. Alinea 2 wird mit 
großer Mehrheit angenommen; dafür auch die Erzherzoge. Alinea 3 lautet: 
„In diesem Betracht theilt das Herrenhaus die Befriedigung, welche Ew. 
Majestät über den Eintritt jenes Theiles der Vertreter aus dem Königreiche 
Böhmen, welcher bisher dem Reichsrathe fern geblieben ist, auszusprechen 
geruhen. Denn es erblickt hierin nicht bloß eine Stärkung der Reichsver- 
tretung durch den Hinzutritt vieler auf anderen Gebieten bewährten Kräfte, 
es muß auch denselben als die Thatsache der Anerkennung des Rechtsbodens 
der Verfassung betrachten, welchen sie betreten. Das Herrenhaus kann nur 
wünichen und hoffen, daß die von gegenseitigem Wohlwollen und gemein- 
samem Pflichtgefühl getragene Einigung aller Glieder desselben zu vereinter 
Thätigkeit, wie an sich segensreich, zugleich geeignet sein werde, die so wün- 
schenswerthe Einheit der Ueberzeugung auch in Rücksicht auf diejenigen Prin- 
cipien unserer Verfassung herbeizuführen, welche das Herrenhaus im Interesse 
der Kraft des Reiches nach innen und seiner Macht nach außen seit dem 
Bestande desselben zu verlreten für seine Pflicht gehalten hat.“ Es ergreift 
das Wort Graf Taaffe und bekämpft den vorstehenden Passus: „Beide 
Adreßentwürfe, die hier vorgelegt wurden, beurkunden den altösterreichischen 
Patriotismus, der immer in diesem hohen Hause vorgewaltet hat; beide 
Adreßentwürfe geben Zeugniß von der unwandelbaren Ergebenheit für die 
erhabene Person unseres heißgeliebten Kaisers und Herrn; beide Adreb- 
entwürfe schließen sich im Großen und Ganzen den Anschauungen der aller- 
höchsten Thronrede an: beide Adreßentwürfe erklären mit Wohlwollen die 
Vorlagen, welche die Regierung in Aussicht gestellt, der Berathung und 
Prüfung unterziehen zu wollen; nur das Alinea des Adreßentwurfs, welches 
in Berathung sieht, kann nicht vollständig mit den Anschauungen der aller- 
höchsten Thronrede in Einklang gebracht werden. Die Regierung Sr. Maj. 
des Kaisers, die nicht bloß auf dem Boden der allerhöchst sanctionirten Ver- 
fassung steht, sondern die ihre Aufgabe auch darin erblickt, die Verfassung 
zu kräfligen und zu stärken dadurch, daß sie die Möglichkeit anbahnt und 
hervorruft, daß die Verfassung sich nicht bloß auf ein Gesetz slütze, sondern 
auch in den Herzen der Völker und Nationen Wurzel fasse, hat es versucht, 
die Abgeordneten des Königreichs Böhmen, welche bisher den Verhandlungen 
des Reichsraths ferngestanden sind, heranzuziehen und es ihnen zu ermög- 
lichen, den gemeinsamen Boden der Verfassung und den gemeinsamen Boden 
des Reichsrakhs zu betreten. Im Alinea 3 der allerhöchslen Thronrede wird 
die Thatsache constatirt, daß die Abgeordneken des Königreichs Böhmen, die 
früher den Verhandlungen ferngeblieben, unbeschadet ihrer Rechtsüberzeugung 
und ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Anschauungen vollzählig den Boden 
der gemeinsamen Verhandlungen betreten haben, und es wird in diesem 
Alinea der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck gegeben, daß es bei allseitiger 
Mähigung und gegenseitiger Rechtsachtung gelingen werde, der Verfassung 
die allseitige freudige Anerkennung der Völker zu sichern. Will man nun 
die Verföhnung und Verständigung, die in der allerhöchsien Thronrede so“ 
hellich betont ist, will man dieselbe anbahnen, so unt man — alles fern- 
alten, was trennt und dasjenige suchen, was vereint. Nur dann ist es 
  
  
  
 
	        
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