Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

Großbrittannien. (Oct. 10—12.) 383 
Bahn dem Betrieb übergeben. Ihr folgte am 7. Mai 1835 die erste Eisen- 
bahn des europäischen Continenks, Brüssel-Mecheln, und am 7. Dec. 1835 
die erste deutsche Linie Nürnberg- Fürth. Jebt zählt das Eisenbahmeh der 
Erde ca. 320,000 Kilometer und täglich werden mehr denn 3 Millionen 
Menschen und 35 Millionen Frachtguter beförde rt, ein Beweis von der co- 
lossalen Umwälzung, welche das Elsteubahnmolsen im Culturleben der Mensch- 
heit hervorgerufen. 
10. October. Die Agitation der Parnell rc. in Irland gegen 
die Pachtzahlung an die englischen Großgrundbesitzer breitet sich 
immer weiter aus. Zahlreich besuchte Meetings der Pächter finden 
in verschiedenen Gegenden statt. 
Parnell schlägt vor, die Irländer in Irland sollten an die Frländer 
in der ganzen Welt, also in den Vereinigten Staaten, in Australien „und 
sonstwo“, wo es den Auswanderern von der Grünen Insel so gut geht. ap- 
pelliren. Es unterliege keinem Zweisel, daß auf diese Weise die Erlösung 
Irlands aus dem Joche d der dalnag Eigenthümer, Tyrannen bewerkstelligt 
werden könne. In die Details des Planes läßt sich Parnell nicht ein. Ein 
vom Farmer-Club in Cork einberufenes Meeting behufs Agitation für die 
Herabsetzung der Pachtgelder und Lösung der Grund= und Bodenfrage wird 
auf dem Corker Kornmarkt abgehalten; es haben sich etliche 5—6000 Farmer 
aus allen Theilen Irlands eingefunden. Parnell, welcher mit stürmischem 
Enthusiasmus begrüßt wird, empfiehlt eine Politik passiven Widerstandes, 
da, wie er bemerkt, keine Hofinung vorhanden sei, daß ihre fremden Guts- 
herren den Farmern freiwillig zu Hülfe kommen würden; die Geschichte der 
Vergangenheit lasse gleichfalls auf kein derartiges Entgegenkommen schließen. 
Die Verhandlungen verlaufen troh aller Aufregung der Betheiligten in 
großer Ordnung. In Ballinvay verpflichten sich elwa 500 Pächter, keinen 
Pacht zu zahlen, bis die Grundbesiher eine Ermäßigung des Pachtzinses ge- 
währt haben. Auch kommen sie überein, kein Gut zu pachten, dessen frühere 
Pächter wegen Nichtzahlung des Pachtzinses ermittirt worden. Jedermann, 
der dieser Abmachung zuwiderhaudelt, wird als ein Feind des Volkes erklärt. 
Auf einem Meeting in Armaghdown, Tuam, hält ein ehemaliger Fenier, 
Davitt, eine sehr aufrührrrische Ansprache, indem er die anwesenden Pächter 
zum Widerstande gegen die Behörden auffordert und meint, sie sollten sich 
vor den berufenen Soldaten, „die sich von den Zulus schlagen ließen“, nicht 
fürchten. In der Nachbarschaft der Kirche von Clanallan, Warenspoint 
Grafschaft Down, wird ein Drohplakat nachstehenden Inhalts angeschtagen= 
gefunden: „Man nehme gefälligst Notiz davon: Jedermann, der in dieses 
Land kommi, um mehr als 1 Pfd. St. per Acker Landes zu geben, mag 
sein Leichentuch und seinen Sarg mitbringen, denn wir wollen keine er- 
pressungssüchtigen Landlords, wie Brady, ermuntern. Sein Haus wird an 
demselben Abend, wo er ankommt, eingeäschert werden." Die englische 
Presse, sowie auch die loyalen irischen Blätter dringen darauf, der Agi- 
tation ein Ende und die Demagogen für ernste Ausschreitungen verantwork- 
lich zu machen. 
12. October. (Afghanistan.) Die englischen Streitkkräfte 
ziehen, ohne auf ihrem Wege grosen Widerstand gefunden zu haben, 
unter General Roberts in Kabul ein und dieser erläßt eine Procla- 
mation, in der er den Urhebern des Mordes an dem englischen Re- 
sidenten Cavagnari strenge Bestrafung ankündigt. 
  
 
	        
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