384 Großbriltanvien. (Oct. 18 — Anf. Nov.)
18. October. Der Minister des Auswärtigen, Lord Salis-
bury, feiert in einer Nede zu Manchester die im September durch
Bismarck abgeschlossene Allianz zwischen Deutschland und Oesterreich,
indem er sagt:
Bei Beurtheilung der Haltung der Regierung in Bezug auf
die große orientalische Frage müssen Sie sich fragen, welches die Gefahr
war, und was für Materialien der Negierung zu einer Abwehr zu Gebote
standen. Die Gefahr war, daß Rußland die Unabhängigkeit Konstantinopels
oder der Küsten des schwarzen Meeres bedrohe, oder daß ein F lavischer Staat
sich vom schwarzen Meere bis zum adriatischen erstrecke. Die Abwehr, zu
welcher wir gegriffen, beruht in erster Instanz auf der Türkei, und was
auch Nachtheiliges gegen die Türlen vorgchracht werden mag, Niemand kann
sagen, daß sie nicht, troh schlechter Führer und Ossiziere, wie Helden ge-
kämpft haben. Sie haben eine militärische Kraft, an die keine andere Race
am Moa hinanreicht, und solang ihre Existenz dauert — und sie wird,
wenn sie nur ihre Verwaltung resormiren wollten, von langer Dauer sein
können — wird ihre militärische Stärke bleiben, und werden sie bei Weitem
die mächtigste Schranke unter allen Völterschaften bleiben, die dem Vorrücken
Rußlands entgegengeseht werden könnte. Wenn die Türkei fällt, so erinnern
Sie sich, daß Oesterreich jeht in Novi-Bazar steht und bis an das Gebiet
des Balkans heran vorgerückt ist. und daß jett kein Vorrücken Rußlands
über den Balkan oder über die Donau erfolgen kann, bevor der Widerstand
Oesterreichs bezwungen ist. Oesterreich selbst ist mächtig. Ich glaube, daß
auf der Stärke und Unabhängigkeit Oesterreichs die beste Hoffnung der Sta-
bilität und des Friedens Europa's beruht. Was in den letzten wenigen
Wochen geschehen ist, rechtfertigt uns, zu hoffen, daß Oesterreich, wenn an-
gegriffen, nicht allein dastehen würde. Lauganhaltende Cheers.) Die Zei-
tungen berichten — ich weiß nicht, ob dieselben recht berichten —, daß
zwischen Deutschland und Oesterreich eine Defensivallianz errichtet worden
ist. (Laute Cheers.) Ich will keine Ansche über die Genauigkeit jener Nach-
richt aussprechen, aber ich werde Ihnen und Allen, welche den Frieden und
die Unabhängigkeit der Nationen schähen, sagen — ich darf dieß ohne
Profanirung sagen — daß dieß „eine gute Botschaft von großer Freude“
(good tidings ol great jo)) ist (laute Cheers); und wenn Sie uns fragen,
wie wir unseres Amtes gewaltet haben, i werde ich an Sie als Antwort
die Bitte richten: den jetzigen Stand der Dinge mit dem zu vergleichen, der
am Tage bestand, wo der Vertrag von San-Stefano abgeschlossen ward.
Betrachten Sie die militärische Stellung Rußlands von damals und jept,
betrachten Sie die terrikoriale Lage der Türkei von damals und jeßt, be-
trachten Sie die Sympathien Oesterreichs und noch mehr die Deutschlands,
und ich glaube, Sie werden anerkennen, daß, soweit Ihrer Majestät Re-
ierung irgend einen Antheil an der Gestaltung dieser Ereignisse gehabt
pier eine vollständige Schutzwache für die Interessen und die Stellung ge-
schaffen worden ist, die zu schützen ihre Pflicht war.“
28. October. (Afghanistan.) Fünf Hauptschuldige an dem
Gesandtenmord und zwar hochstehende Männer werden in Kabul
auf Befehl des General Noberts gehängt.
Anfang November. England fordert durch feinen Botschafter
in Konstantinopel, Layard, von der Pforte energisch die Ausführung
der von ihr im Berliner Frieden und im Cypern-Vertrag ver-