Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

432 Ilalien. (Maͤrz 2226.) 
Was bas Alter anbelangt, welches zur Ausübung des Wahlrechts besabian 
so wird dasselbe auf das vollendete 21. Lebensjahr herabgeseht. Jene K 
tegerie von Mählern, welche ohne Rücksicht auf den Census vermöge ihres 
Bildungsgrades wahlberechtigt ist, wird bedeutend erweitert. So werden 
nach dem neuen Gesetz Wähler alle diejenigen sein, welche zu einem öffent- 
lichen Amte gewählt wurden; alle diejenigen, welche Werke, Broschüren, 
Journale und andere schriftliche Arbeiten herausgegeben haben; die Privat- 
lehrer und, mit einem Wort, eine sehr große Anzahl jener, welche, weil 
ohne Census, heute nicht wahlberechtigt sind. Auch der Census wird je nach 
den verschiedenen Localitäten allmählig bedeutend herabgeseyt werden. Man 
will der städtischen Bevölkerung gegenüber weiter gehen, als gegenüber dem 
Landvolke; doch werden jederzeit alle jene Individnen von der Ausübung 
des Wahlrechts ausgeschlossen sein, die nicht h chend lesen und schreiben 
können. Unabhängig von dem Census werden auck diejenigen Wähler sein, 
welche die Prüfung aus der vierten Classe der Elementarschule bestanden 
haben, so daß gewissermaßen das Geseyz über den obligatorischen. Schul= 
unterricht als Vasis angenommen wird. Man nimmt an, daß die Zahl 
der Wähler auf diese Weise um mehr als eine Million l- die Miet 
werden wird. Was die Ausfstellung der Wählerlisten anbelangt, gio wird 
ein wirklich radicaler und liberaler Fortschritt gemacht werden. Die weit- 
gehenden Befugnisse, welche in dieser Richtung heute die Präfecten besitzen, 
werden auf eine fünfgliedrige Provinzialcommission übergehen. Drei Milglie- 
der dieser Commission wird der Provinzialrath wählen und eines der Präter,, 
das fünfte Mitglied endlich wird eine Magistratsperson zu sein haben. Die 
bezüglichen Präliminar-= Operationen werden von der Municipalität zu be- 
sorgen sein, im übrigen bei Recursen u. s. w. aber die Gerichte entscheiden. 
Was die Operationen bei dem Wahlgang selber betrifft, so bezieht sich die 
wesentlichste Neuerung auf den Modus der WMahl, die in Zukunft im Wege 
des Listen-Scruliniums stattfinden wird. Die Eintheilung der Wahlkreise 
wird nach Provinzen erfolgen und ein neuer Wahlkreis zwei, drei und selbst 
vier der gegenwärtigen Collegien umfassen. Einige Provinzen werden in de 
Folge mehr, andere weniger Deputirte als bisher zu wählen haben. Die 
Verpflichtung für den Mähler, seinen Stimmzettel persönlich auszufüllen, 
wird beibehalten. Es sei endlich noch bemerkt, daß das Wahlrecht nicht der 
Armee und keinem der bewafssueten Corps eingeräumt wird, die in Folge 
ihres Engagements von den Ministerien des Innern und der Finanzen? oder 
den Gemeinden abhängen. Die Soldaten und Unteroffiziere werden nur in 
dem Fall als Wähler auftreten können, wenn sie sich in jenem Ort, in dessen 
Wählerlisten sie engelron sind, eben zur Zeit der Wahl in ürlaub be- 
finden. Selbstverständlich werden die Offiziere nicht von dieser Verfügung 
betroffen. Wie man sieht, sind im wesentlichen die Grundlagen des von 
dem früheren Minister des Innern im Cabinet Cairoli, Hrn. Zanardelli, 
ausgearbriteten Gesehenkwurfs über die Wahlreform beibehalten. (s. 3. No- 
vember 187 
22. März. Die Regierung ernennt 27 neue Senatoren. 
26.—28. März. Kammer: Generaldebatte über das Ein- 
nahmebudget für 1879. Der Ministerpräsident Depretis verständigt 
sich mit Cairoli und Crispi und die Kammer genehmigt mit 241 
gegen 89 Stimmen eine Art Vertrauensvotum für das Ministerium, 
das Calroli beantragt hat und von Crispi modificirt wird. 
Dem Ministerium Depretis ist durch diese Majorität das Leben ge- 
sichert, aber es hängt fortan von der Coalition Cairoli-Erispi ab, welche 
  
  
  
  
 
	        
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