Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

446 Pie Ichweiz. (Jan. 21.) 
Zeit zu liefern haben. Wenn der bevorstehenden Actieneinforderung wirklich 
Folge geleistet wird, so ist die Beschaffung des Obligationen-Kapitals 
als wesentlich gesichert zu betrachten, und bei den sehr Künstigen Bedingun- 
gen, unter welchen einzelne Bauverträge schon abgeschlossen sind und die 
übrigen abgeschlossen werden können, ist an der glücklichen Reconstruction 
nicht zu zweifeln. Bleibt dagegen das Actienkapital in Rückstand, so fällt 
damit die erste Bedingung des Finangansweises dahin, und es würde in 
den Aufgaben der Behörden liegen, durch die Liquidation der jetzigen Gefell- 
schaft die Bildung einer neuen zu ermöglichen. 
21. Jannar. (Bern.) Die in Biel versammelte alt-katholische 
Synode des Kantons Bern, zu der sich ca. 70 Mitglieder eingefun- 
den haben, faßt auf den Antrag des Synodalrathes, das Amnestie- 
decret der Regierung vom 12. September 1878 (s. d.) und seine An- 
wendung, mehr oder weniger mißbilligend, folgende Resolution: 
„1. Die Synode erachtet es als ihre Pflicht, im Allgemeinen gegen 
den schweren Schlag zu protesliren, welcher ihr durch das sonderbar und 
wenig demokratisch entstandene Decret vom 12. September (Begnadigung und 
Wiederwählbar-Erklärung der wegen Widersehlichkeit verurtheilten jurassischen 
römischen Geistlichen) zugefügt worden ist und im Besondern durch 7* 
Außerachtlassen der kirchlichen Competenzen in Bezug auf vorgängige An- 
frage bei der Synode und eicchliche Jurisdiction betreffend Aufnahme in 
den Kirchendienst. 2. Die Synode würde vom Derret gern die Begründung 
des Friedens unter den Culten erhoffen, aber Geschichte und Erfahrung 
lehren, daß das reine Illusionen sind. 3. Würde der Compromiß vom 12. 
September wirklich Versöhnung und Frieden bringen, würden unsere Be- 
hörden nicht anstehen, an den nächsten Synoden ihre Gewalt den Gemeinden 
zurückzugeben mit warmem Glückwunsche für das Gedeihen der christkatho- 
lischen Kirche. Wenn dagegen der Staat die officielle Constituirung der in- 
fallibeln Kirche und von ultramontanen Gemeinden sanctionirt, dann bleibt 
unserN Kirche und bleiben unsere Gemeinden auf der Bresche als treuer Hüter 
der Geseplichkeit und verlangen ihre Rechte als Corporationen und christliche 
Gemeinwesen. 4. Der Synodalrath und der Dilcho sind eingeladen, auf 
die Vorgänge genau Acht zu geben und die Behörden so wie die nächste 
Synode davon zu verständigen. 
Dieser Beschluß wird jedoch nicht einhellig, sondern mit 37 
gegen 17 Stimmen gefaßt. Die Minderheit, in welcher sich auch 
der Bischof, Dr. Herzog, befindet, stimmt für einen Gegenantrag, 
durch welchen eine Billigung der von der Regierung gegenwärtig 
auf kirchlichem Gebiete verfolgten Politik ausgesprochen werden sollte. 
Die thatsächliche Lage im bernischen Jura seit dem Amnestiedecret 
on Sept. v. Is. ist folgende: Die durch das Amnestiedecret unberührt 
gelassenen geseylichen Bestimmungen, nach welchen im Kanton Bern ein 
Geistlicher eine Pfarrstelle erhalten kann, besagen: 1. Der betreffende Geist- 
liche muß in den bernischen Kirchendienst aufgenommen, d. h. als Mitglied 
des bernischen Clerus förmlich anerkannt worden sein. Dazu ist erforder- 
lich: ein Ausweis über gute Sitten und ein Zeugniß der theologischen 
Prüfungscommission des Kantons, daß der Candidat das theologische Staats- 
examen mit gutem Erfolg bestanden habe. Sämmtliche Mitglieder der Prü- 
ungscommission sind durch die Regierung ernannt. An die Regierung ist 
as Gesuch um Aufnahme in den bernischen Kirchendienst zu richten, und 
  
 
	        
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