92 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 5.)
erklärt, „als ich sagte, daß der Zwischenrufer keine Scham kenne, war der-
selbe nicht bekannt; nachdem er sich genannt hat, nehme ich meinen Ausdruck
zurück; Herr Struve hat gewiß Scham.“ (Heiterkeit.)
5. März. (Deutsches Reich.) Bundesrath: nimmt die
Wehrsteuervorlage auch in 2. Lesung an und genehmigt das Unfall-
versicherungs= und das Innungsgesetz. Im ersteren wird die Reichs-
versicherungsanstalt beibehalten, dagegen der Staatszuschuß zu den
Versicherungsprämien (Staatssozialismus) in Uebereinstimmung mit
den Anschauungen des preußischen Volkswirthschaftsrathes gemindert.
Damit sind die sog. Ministerialsitzungen des Bundesraths geschlossen
und kehren die leitenden Minister nach Hause zurück.
Die wichtigsten Veränderungen und d Zusätze des Bundesraths zu
dem Unfallversicherungsgesetz sind folgende: Der § I, der die betreffenden
Betriebe aufzählt, welche sich bei der Reichsversicherungsanstalt zu versichern
haben, ist mit dem Zusatz angenommen, daß seine Bestmmungen auch Bezug
haben auf den Baubetrieb, soweit derselbe durch Beschluß des Bundesraths
für versicherungspflichtig erklärt wird. Der Beschluß des Volkswirthschafts-
raths, wonach das Gesetz auch für landwirthschaftliche Arbeiter gelten sollte,
sofern sie dauernd oder wiederholt in Fabriken und bei Maschinen, welche
nicht lediglich mit Menschenhand bewegt werden, beschäftigt sind, wird vom
Bundesrath abgelehnt. Ein neuer § 2 bestimmt, daß dieses Gesetz auf Be-
amte, die in Betriebsverwaltungen des Reiches, eines Bundesstaates oder eines
Communalverbandes mit festem Gehalt und Pensionsberechtigung angestellt
sind, keine Anwendung findet. Im § 6 wird die Clausel gestrichen, daß die
Tarife dem Ausschusse des Volkswirthschaftsraths zur Begutachtung vorzu-
legen sind. Nach § 9 erhalten die Angehörigen eines Arbeiters, der später
als vier Wochen nach dem Unfall an den Folgen desselben stirbt, eine Ent-
schädigung auch für die Kosten der ärztlichen Behandlung und Krankenpflege
während der über vier Wochen hinausgehenden Zeit im Betrage von 50
Procent des Arbeitsverdienstes. Dem § 10 ist ein Alinea beigefügt, wonach
die auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Verpflichtung von Gemeinden= oder
Armenverbänden zur Unterstühung hilfsbedürftiger Personen durch dieses
Gesetz nicht berührt wird. Der wichtigste § 13 ist mit wenigen Aender-
ungen den Beschlüssen des Volkswirthschaftsraths gemäß angenommen und
lautet: „Die Versicherungsprämie ist aufzubringen: 1) für diejenigen Ver-
sicherten, deren Jahres-Arbeitsverdienst 750 M und weniger beträgt, zu zwei
Dritteln von dem Betriebsunternehmer, zu einem Drittel vom Reich (die
Worte „oder Staat“ sind gestrichen); 2) für diejenigen Versicherten, deren
Jahres- Arbeitsverdienst über 750 M und bis zu 1000 M (statt 1200, wie
es ursprünglich hieß) beträgt, zu zwei Dritteln vom Betriebsunternehmer,
zu einem Drittel von dem Versicherten; 3) für diejenigen Versicherten, deren
Jahres-Arbeitsverdienst über 1000 M beträgt, zur Hälfte vom Betriebs-
unternehmer, zur Hälfte von dem Versicherten.“ Als neu ist folgender § 21
beigefügt: Der Betriebsunternehmer, der die vorgeschriebene Anzeige nicht
erstattet hat, kann die Beschwerde nur darauf gründen, daß der Betrieb nicht
unter § 1 falle. Wird eine Beschwerde von demselben nicht eingelegt oder
wird sie verworfen, so bleibt der Versicherungsschein. bis zum Ablauf des
Kalendervierteljahrs in Kraft. § 15 (neu) lautet: Die unter § 1 fallenden,
zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Betriebe treten mit
diesem Zeitpuncte, später entstehende mit dem Zeitpunct ihrer Errichtung in