Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 18.) 101 
Steuern in unmittelbare Aussicht zu nehmen sei, noch etwa speciell gegen 
den Vorschlag der Einführung einer directen Ausgleichungssteuer von den 
zum Heeresdienst nicht herangezogenen Wehrpflichtigen ein durchgreifendes 
Bedenken herzuleiten sein. Abgaben, welche an sich vom Standpuncte aus- 
gleichender Gerechtigkeit aus gefordert werden müssen, ihrer Natur nach aber 
lediglich in der Form directer Besteurung verwirklicht werden können, werden 
trotz der Nachtheile der Erhebungsform gerechtfertigt sein. Daß aber andere 
auf das Einkommen oder Vermögen nicht unmittelbar basirte Systeme directer 
Besteuerung mit der Steuerfähigkeit des Einzelnen sich noch weniger im Ein- 
klang befinden, bedarf keiner besonderen Beleuchtung.  
„Wenn ein Blick auf andere Großstaaten lehrt, daß dort die zur 
Bestreitung der Staatsausgaben  nothwendigen Mittel in weit höherem Maße 
im Wege indirecter Abgaben aufgebracht werden als in Deutschland, so be- 
ruht dies unzweifelhaft auf der daselbst herrschenden Ueberzeugung von den 
hohen Vorzügen dieser Erhebungsweise und es sprechen  historische und poli- 
tische Erwägungen nicht dagegen, sondern dafür, das System der indirecten 
Abgaben, welches den Krystallisationspunct für das Entstehen des deutschen 
Reichs gebildet hat und auf finanziellem Gebiet fortdauernd als eines der 
wichtigsten Bindemittel für die Bundesgemeinschaft anzusehen ist, in Deutsch- 
land in jedenfalls nicht geringerem Maße zu pflegen, als es in jenen Län- 
dern geschehen ist. 
„In nachstehender Uebersicht ist der Versuch gemacht worden, das 
Maß des Aufkommens aus indirecten Abgaben, soweit es nach den zu Ge- 
bote stehenden Materialien und ohne minutiöses Eingehen in Einzelheiten 
thunlich war, für die europäischen Großstaaten und die Vereinigten Staaten 
von America nach den neuesten Budgets, für England nach dem Rechnungs- 
abschluß 1879/80 vergleichend zu veranschaulichen: 
"6E auf den Kopf der Bevölkerung entfallen. 
 
An Zöllen, Verbrauchs- . . 
 Steuern und Stempel-  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
steuern (einschließlich 
 der Erbschaftssteuern 1 2 
und bergl.) irher 4 An An 
bie Gesammtheit öllnStem. Zu- 
1# (Staat und Reich) 15 Ver- pel- sammen 
1 erhoben %t steuern 
— * 4 M 
1) in Deutschland 467,409,028 9.2 1,o 10,4 
2) „ Frankreich 1,579,617,560 27,7 1,0 41,7 
3) „ Großbritannien u. l 
Irland 1,090, 205, 438 24,9 62,.7 31,6 
4) „ Italien 477,540,000 124 483 16,7 
5) „ Heserreich 365,382,600 12,1 4.3 16.4 
6) „ and 1,205,095, 400 13,1 1,0 14,1 
7) „ d. Vrrein. Staaten) 
von Americ 1,355,229,000 26, 0, 2 26,3 
„Auf den Kopf der Bevölkerung stellt sich der Ertrag der Zölle und 
Verbrauchssteuern in Deutschland, welcher im Jahre 1875 auf 7,15 M zu 
beziffern war, nach vorstehender Uebersicht auf 9,20 M. Zu diesem Ergebniß 
hat außer der oben bereits erwähnten Einführung der beiden Reichsgesetze 
namentlich auch die Steuererhöhung für Bier und Branntwein in Bayern 
und Baden beigetragen. Wenn man auch annehmen will, daß durch den 
Eintritt der vollen financiellen Wirkungen der Zoll- und Steuergesetzgebung
	        
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