Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 22 28.) 109 
26. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Zweite Lesung 
des Gesetzentwurfs betr. Naturalleistungen für die bewaffnete Macht 
im Frieden. Derselbe wird nach den Commissionsanträgen, welche 
die Vorlage wesentlich modificieren, angenommen, obwohl Staats- 
secretär v. Bötticher erklärt, die Regierungen hätten sich zwar mit 
den Commissionsbeschlüssen noch nicht beschäftigt, würden aber Ab- 
änderungen der Vorlage nicht zustimmen. 
Erste Lesung des neuen Innungsgesetzes und Ueberweisung 
desselben an eine Commission. In der vorhergehenden Debatte wird 
die Idee förmlicher Zwangsinnungen, die von den zunächst Bethei- 
ligten immer dringender und immer lauter gefordert werden, von 
den Liberalen entschieden abgelehnt; nur die Conservativen sind dazu 
geneigt; das Centrum ist dazu wenigstens nicht ungeneigt. Die Ent- 
scheidung scheint in der Hand der Freiconservativen zu liegen. 
27. März. (Bayern.) Die Mitglieder der sog. patriotischen 
(ultram.) Fraction der II. Kammer verhandeln schon jetzt über einen 
für die bevorstehenden Landtagswahlen zu erlassenden Aufruf. Die 
„Gemäßigten" derselben wollen jedoch mit den „Extremen“ nicht zu- 
sammengehen und lehnen einen solchen Aufruf ihrerseits ab. 
28. März. (Deutsches Reich.) Der Kronprinz versichert 
in St. Petersburg einer Deputation der Deutschen in Moskau, sie 
könnte ihren Landsleuten in Moskau sagen, daß 
die alten freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten 
Traditionen geworden sind, daß sie fernerhin fortbestehen werden und daß 
die Freundschaft der heutigen Generation ebenso dauerhaft sein wird, wie 
die der alten. Diese Freundschaft ist nicht blos für beide Nachbarstaaten, 
sondern für den Frieden ganz Europa's wichtig.“ 
28—29. März. (Deutsches Reich.) Reichstag: Erste Lesung 
der Stempel-, Brau und Wehrsteuer-Vorlagen, zu welchen der 
Reichskanzler dem Reichstag unter dem 18. d. M. (s. d.) eine be- 
sondere Denkschrift hat zugehen lassen. Rede des Reichskanzlers 
über die gesammte Steuer und Wirthschaftsreform und über seine 
Denkschrift. Schließlich wird nur die Stempelsteuer an eine Com- 
mission gewiesen, offenbar in der Absicht, sie auf eine Börsensteuer 
zu reducieren, dagegen die Verweisuug der Brau und Wehrsteuer 
an Commissionen abgelehnt und die Berathung im Plenum be- 
schlossen, offenbar um sie sofort abzulehnen. 
In der Debatte gibt Lasker durch eine einläßliche Kritik der Vor- 
lagen und der Denkschrift, der er Ungenauigkeit und Uebertreibungen vorwirft, 
Gelegenheit zu der Rede des Reichskanzlers: Ich bin leider noch 
Reconvalescent und deshalb nicht im Stande, alles das zu sagen, was ich
	        
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