Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 29 -30.) 159
werth ist. Ich verlange auch keine Opfer für einen Beamten dafür; wenn
er etwa 10,000 Thaler Gehalt hat und also nach dem Princip des Com-
missonsantrages seine Wohnung 1500 Thaler werth wäre, so will ich ihm
nicht das Recht einräumen zu sagen: diese Wohnung hat den Miethswerth
nicht; ich sollte eine größere und bessere haben. Aber wenn er zufällig in
eine für ihn ganz unerschwingliche Wohnung gebracht wird, so bitte ich
dringend darum, doch dieses Gefühl der ungerechten Behandlung von uns zu
nehmen, was darin liegt, wenn man nach einem Object, dessen Werth einen
gar nichts angeht, eingeschätzt wird. Es muß bei dieser Einschätzung ja
nothwendig Willkür vorherrschen. Bestimmte Principien sind für die Ein-
schätzung gar nicht möglich, und wenn sie angewendet werden, so geben sie
falsche Resultate, wie die Einschätzung des Pleß'schen Hauses. Einen solchen
Miethswerth gibt es in Berlin nicht, weil ihn keiner bezahlt. Ich muß die
Willkür zulassen, sie tritt ein, aber ich halte es nicht für nützlich, daß leitende
Minister in ihren persönlichen Verhältnissen der Willkür von irgend jemanden,
die nicht gesetzlich geregelt ist, unterliegt, am allerwenigsten, wie hier, der-
jenigen ihrer politischen Gegner. Es mögen ja sehr tugendhafte Leute sein,
die ihre Gegnerschaft nach Möglichkeit in den Hintergrund treten lassen.
Aber ich mag nicht in den Händen meiner Gegner sein; dieses Gefühl ver-
dirbt mir jedes Gefallen und jedes Wohlbehagen an meiner Stellung; wenn
ich irgend etwas in den Händen meiner politischen Gegner finde, die bei mir
Haussuchung halten können in Begleitung meiner Dienerschaft während
meiner Abwesenheit und meine Sachen illustriren, sich dann ein Bild zu
bilden, ich hätte 30 Privatzimmer, während ich das was ich für meinen
Privalgebrauch benutze, wie ich neulich gethan, so auch heute auf sieben
Zimmer angebe und vielleicht auch einige leere, die ich nach Belieben ab
und zu gebrauche, um Gäste darin unterzubringen. Aber allerdings, ich
habe vielleicht in dem Hause über 20 Dienerschaftszimmer vorgefunden, von
denen stehen noch 5 bis 6 leer. Ich habe meistens verheirathete Leute und
gerade diese leeren Räume sind für die Leute die Verführung gewesen, zu
heirathen, was für mich neue Belästigungen mit sich bringt. (Heiterkeit.)
Aber ich habe nicht daran gedacht, diese Wohnungen — ich habe vielleicht
eine minder zahlreiche Dienerschaft, wie sie durch das Bewohnen eines solchen
Hauses bedingt wird — dabei mitzurechnen, wenn ich sage, so viel habe ich
zu meinem Privatgebrauch. Ich bin genöthigt es anzuführen, sonst klingt
es so, wenn man die wohlwollende Darstellung des Herrn Richter gehört
hat, als hätte ich über Sachen, die ich wissen muß, falsches angeführt und
der Castellan scheint die Herren nicht aufgeklärt zu haben und von selbst
scheinen sie nicht gewußt zu haben, daß die Sache so liegt. Ich bitte also
dringend, ändern Sie das Princip darin, daß der Gehalt die Grundlage der
Besteuerung der Miethe ist und nicht der unberechenbare, der willkürlichen
Schätzung unterworfene Werth einer Dienstwohmung. Ich kann daran wohl
verzichten und ich würde auch die Zeit und die Kraft nicht haben, der Rede
des Abg. Richter mit allen Gründen zu folgen. Es wird mir ja recht oft
das Vergnügen zutheil, eine Probe seiner Eloquenz mit anzuhören, aber da
habe ich nachgerade dasselbe Gefühl wie bei einer Vorstellung der Jungfrau
von Orleans, wo einen der endlose Triumphzug im Anfange überrascht,
bis man beim dritten Vorbeimarsch bemerkt, mein Gott, das sind ja immer
dieselben Leute (Heiterkeit), die nochmals über die Bühne ziehen in dem-
selben Costüm. So sind es auch die Gründe, die in den Reden des Herrn
Abgeordneten, mit derselben Eleganz vorgetragen, wiederkehren. Wir kennen
sie meist schon aus den Blättern, an welchen der Herr Abgeordnete betheiligt
ist, wenn wir Muße haben sie zu lesen, und ich bin deßhalb wahrscheinlich
auch schon öfter in der Lage gewesen, auf die meisten dieser Gründe zu ant-