Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 25.) 197 
von informatorischen Besprechungen, welche gegen Ende des vorigen und in 
den ersten Monaten dieses Jahres zwischen einigen Senatsmitgliedern und 
dem Dirigenten des hiesigen Hauptzollamtes stattgefunden haben. Diese Be= 
sprechungen, mit welchen eine gleichzeitige Durcharbeitung der Zollregulative 
durch verschiedene Interessengruppen unter der Leitung der Handelskammer 
Hand in Hand ging, gewährten überdieß die Beruhigung, daß eine große 
Zahl von Einwendungen gegen die Zollbehandlung auf die Befürchtung vor 
der Handhabung der Regulative durch eine mit den Bedürfnissen des Groß= 
handels nicht genügend vertraute Verwaltung zurückzuführen seien und daß 
die dennoch verbleibenden durch eine gründliche Revision dieser Regulative, 
so weit wie es der Natur der Sache nach möglich ist, sehr wohl zu besei= 
tigen seien. Der Senat gewann hienach aus den Berichten jeiner Commissäre 
die Ueberzeugung, daß die zweite unerläßliche Voraussehung des Eintritts in 
Verhandlungen die Uebertragung der Zollverwaltung an Hambur= 
gische Behörden sei. Erst als auch dieses Zugeständniß in sicherer Aussicht 
stand, glaubte der Senat den Zeitpunkt gekommen, den Versuch einer Verständi= 
gung mit der Reichsregierung zu machen. Ohne Zweifel stand dem Senat das 
verfassungsmäßige Recht zu, die dazu erforderlichen Verhandlungen sofort 
einzuleiten und unter Vorbehalt der Mitgenehmigung der Bürgerschaft zum 
Abschluß zu führen. Der Senat hat es aber vorgezogen,  schon vor dem 
Beginn der Verhandlungen die Bürgerschaft durch seinen Antrag vom 28. 
März d. J. von seiner Absicht in Kenniniß zu setzen und um Ernennung 
von Vertrauensmännern zu ersuchen. Nach Kenntnißnahme von dem ganzen 
vorliegenden Material hat die große Mehrzahl der Vertrauensmänner der 
Einleitung derjenigen Verhandlungen sich zustimmig erklärt, deren End= 
resultat die Vereinbarung vom 25. Mai d. J. ist. Diese Uebereinstimmung 
beruhte ersichtlich auf der Erwägung, daß in dem Conflict collidirender In= 
teressen, wie ein solcher in der Freihafenfrage in mehr als einer Richtung 
sich geltend macht, den für das Wohl des ganzen Gemeinwesens verantwort= 
lichen Gewalten nur erübrigt, sich auf diejenige Seite zu stellen, auf welcher 
sie die überwiegend größeren Interessen erblicken. Daß diese, solange die 
Frage als eine innere Hamburgische betrachtet werden konnte, auf Seiten 
der unveränderten Erhaltung des jetzigen, im Jahre 1868 begründeten Zu= 
standes lagen, wird schwerlich bestritten werden. Seitdem aber der Zoll= 
anschluß der Hansestädte seitens der Reicchsregierung für eine hervorragende 
Frage des deutschen Reichsinteresses erklärt und seitens der verbündeten Re= 
gierungen zu thatsächlichen Entscheidungen übergegangen war, mußte für 
Hamburg das Bedürfniß, mit dem Reiche sich in dauerndes Einvernehmen 
zu sehen, als das größere, das beherrschende Interesse in den Vordergrund 
treten. Wenn die unveränderte Erhaltung der zur Zeit noch thatsächlich be= 
stehenden Gesammtheit unserer Handels= und Verkehrsverhältnisse schon seit 
den Beschlüssen des Bundesraths wegen der Einverleibung Altona's und der 
Unterelbe ausgeschlossen ist, wenn weitere in unsere Verhältnisse  tief ein= 
schneidende Beschlüsse in derselben Richtung schon in der Vorbereitung be= 
griffen sind, so forderte nach der Ansicht des Senats die pflichtmäßige Für= 
sorge für Hamburgs ganze Zukunft gebieterisch, die neuen Gestaltungen sich 
nicht vollziehen zu lassen, ohne den Versuch zu machen, in Betreff der An= 
schlußfrage eine dauernde Verständigung mit dem Reiche zu finden. Das 
Ergebniß dieses Versuches liegt nunmehr vor. Die Verständigung ist im 
Wesentlichen auf der Grundlage vollzogen, welche der Senat in Aussicht ge= 
nommen und den Vertrauensmännern im voraus mitgetheilt hat. Der Senat 
ist überdieß der Ansicht, daß eine Verständigung unter günstigeren oder 
auch nur gleich günstigen  Bedingungen, wie sie uns jetzt geboten werden, 
weder früher zu erreichen gewesen wäre, noch später zu erreichen 
  
 
	        
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