198 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 25.)
sein würde. Er hält deßhalb die Ertheilung der vorbehaltenen Zustimmung für
durchaus geboten und zweifelt nicht, daß auch die Bürgerschaft bei eingehender
Erwägung der Gesammtlage sich dieser Auffassung anschließen werde. Aller=
dings wird diese Entschließung nicht auf einer Unterschätzung der Schwierig=
keiten beruhen dürfen, welche behufs Durchführung des Anschlusses noch zu
überwinden sein werden, und ebensowenig wird sie gestützt werden können
auf eine Vergleichung des augenblicklich noch bestehenden Zustandes mit dem
während einer kürzeren oder längeren Uebergangsperiode voraussichtlich ein=
tretenden. Die den Ausschlag gebende Erwägung wird vielmehr nur die
sein können, ob bei dem getroffenen Abkommen die Lebensinteressen unserer
Stadt dauernd gewahrt, ob die Modalitäten, unter denen der Anschluß erfolgen
wird, geeignet sind, die Aufrechthaltung der Handelsstellung Ham=
burgs im wesentlichen zu sichern. Daß dieß in der That der Fall, wird in
den nachstehenden, an die einzelnen Bestimmungen der Vereinbarung und
des Nebenprotocolls sich anschließenden Erläuterungen näher zu begründen
sein. Der Senat hält die Frage im allgemeinen dadurch für entschieden,
daß die Reichsregierung auf den vollständigen Anschluß, bei welchem auch
der Schiffsverkehr und der große Waarenhandel den üblichen Zollcontrolen
zu unterwerfen gewesen wäre, verzichtet, und zu der Ueberlassung der Zoll=
verwaltung an Hamburg, obgleich sie einen verfassungsmäßigen Anspruch in
dieser Beziehung nicht anerkennt, sich bereit erklärt hat. Der Besitz eines,
wenn auch verkleinerten Freihafenbezirks, welcher nach wie vor die freie Be=
wegung von Schiffen und Waaren und die Fortexistenz der Exportindustrie=
betriebe gewährleistet und eine Zollverwaltung, welche die Aufrechterhaltung
der thunlichst erleichterten Verbindung dieses Freihafenbezirks mit dem Zoll=
gebiet zu ihren amtlichen Pflichten zu zählen haben wird, diese beiden durch
das Entgegenkommen der Reichsregierung vertragsmäßig gesicherten Zugeständ=
nisse werden hoffentlich ausreichen, um auch den internationalen Handel
Hamburgs im Großen und Ganzen auf seiner bisherigen Höhe zu erhalten,
während der eintretende unbehinderte Verkehr mit dem Inland voraussichtlich
die Wirkung haben wird, für die dennoch unvermeidlichen Verluste durch
die Eröffnung mancher neuen Beziehungen zu entschädigen. Vor allem wird
anzuerkennen sein, daß für die dauernde Sicherung des verbleibenden Frei=
hafens, auf welche von allen Seiten mit Recht das größte Gewicht gelegt
worden, jede mögliche Garantie gewonnen ist. Während die gegenwärtige
Freihafenstellung deßhalb, weil im Art. 34 deren Beendigung von dem
eigenen Antrag der Städte abhängig gemacht ist, als eine mehr oder weniger
transitorische bezeichnet worden, wird der nunmehr vereinbarte beschränkte
Freihafen als eine dauernde Einrichtung anerkannt und dem Art. 34
die Zukunft ausdrücklich die Wirkung beigelegt, daß die Freihafenberech=
tigung des verbleibenden Bezirks ohne Hamburgs Zustimmung weder auf=
gehoben noch eingeschränkt werden kann. Wenn somit die Reichsregierung
und der Bundesrath bei Genehmigung dieser Vertragsbestimmung auf das
bündigste den dauernden Character der neuen Einrichtung anerkennen werden,
so wird auch die öffentliche Meinung Dentschlands mit der neuen Ordnung
der Dinge sich einverstanden erklären können, weil nahezu die gesammte Be=
völkerung Hamburgs in die deutsche Wirthschaftsgemeinschaft eintritt. Das
geschlossene Compromiß erscheint demnach geeignet, das Gefühl der Entfrem=
dung gegen die Hansestädte, welches im Vaterlande mehr und mehr um sich
zu greifen drohte, in das Gegentheil zu verwandeln, was für uns selbst=
verständlich von hohem Werth ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß
eine gleichmäßig präcise Stipulation in Betreff der nothwendigen Revision
der Regulative u. w. d. a. nicht getroffen werden konnte. Selbst abgesehen
von dem vor allem geltend gemachten Gesichtspuncte, daß die bezügliche Ma=