Da deutlsche Reich und seine rinseluen GElieder. (Juni 13—15.) 209
13. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt auch
in 3. Lesung die Stempelsteuervorlage oder vielmehr die allein noch
übrig gebliebene sog. Börsensteuer, wobei die von Wedell-Malchow
vorgeschlagene procentuale Besteuerung der Rechnungen und Schluß-
noten abgelehnt und dagegen ein Antrag Lerchenfeld's auf Festsetzung
eines Fixstempels von 20 5. mit erheblicher Mehrheit angenommen
wird. Die von der Commission vorgeschlagene Resolution für Auf-
hebung der Staatslotterien wird gegen die Stimmen der liberalen
Seite des Haufes abgelehnt.
14. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: lehnt auch in
3. Lesung den Credit für einen deutschen Volkswirthschaftsrath ab,
genehmigt dagegen in 3. Lesung die Gerichtskosten-Novelle nach den
Anträgen v. Cuny's, welche die auf Antrag Payers gefaßten Be-
schlüsse der zweiten Lesung wesentlich modificiren. Staatssecretär
Friedberg hatte die nach den Anträgen Payer's gefaßten Beschlüsse
zweiter Lesung für unannehmbar bezeichnet und seine persönliche
Ansicht dahin ausgesprochen, daß der Bundesrath den Anträgen
v. Cuny's zustimmen werde. Eine Resolution Windthorst's, die Re-
gierung zu einer Vorlage für die nächste Session aufzufordern, welche
eine durchgreifende Revision des Gerichtskostengesehes herbeiführe,
wird angenommen.
15. Juni. (Deutsches Reich.) Reichstag: 3. Lesung des
Unfallversicherungsgesetzes. Ein Compromißantrag des Abg. Stumm
(Freicons.) und der Deutschconservativen ist an dem Widerstande des
ultr. Centrums gescheitert. Ein Antrag der Fortschrittspartei bez.
Prämienzahlung durch den Betriebsunternehmer allein und beg. Ver-
sicherung bei Privatversicherungsanstalten und ebenso ein Antrag der
Deutschconservativen bez. Prämienzahlung durch den-Betriebsunter-
nehmer allein werden abgelehnt. Erklärung der Regierung. Das
Gesetz wird schließlich nach den Beschlüssen der 2. Lesung angenom-
men, indem die Reichsanstalt mit 161 gegen 105 und der Staats-
zuschuß (Staatssozialismus) verworfen, dagegen die Landesversiche-
rungsanstalten, die 14 tägige Carenzzeit und die Prämienzahlung
zu ½ vom Arbeitgeber und zu ½ vom Arbeitnehmer aufrecht er-
halten und das Ganze mit 145 gegen 108 Stimmen angenommen
werden.
Obgleich also schließlich in der 3. Lesung einfach die Beschlüsse der
2. Lesung bez. der drei entscheidenden Puncte, der Reichsversicherungsanstalt,
der Dauer der Carenzzeit und des Staatszuschusses (Staatssozialismus), einfach
aufrecht erhalten werden, so bietet die 3. Lesung doch einige beachtenswerthe
Schulthess. Gurop. Geschichtskalender. XXII. W. 14