Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

254 HDoo deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Sept.) 
Geh.-Nath. Bluntschli zu ihrem Präsidenten, den Prälaten Doll zu 
ihrem Vicepräsidenten. 
Bluntschli nimmt die Wahl mit einer längeren Rede an, worin 
er die Gleichberechtigung aller Richtungen für die Grundlage der Kirche er- 
klärt und betont: wenn die Gegner den höchsten Werth auf dus Bekenntniß 
der Dogmen legen, lege denselben seine Partei auf das Bekenntniß der Freiheit. 
30. September. (Deutsches Reich.) Der große General= 
stab (Moitke) hat seinen Bericht über den Plan einer Befestigung 
Kiels nach der Landseite und die Erbaunng des Nordostseecanals 
festgestellt. Derselbe empfiehlt die Erbauung des Canals aus Reichs- 
mitteln. 
Ende September. (Deutsches Reich.) Die Gegner der Schutz- 
gollpolitik von 1879 finden eine Unterstützung ihrer Anschauungen 
und Ueberzeugungen in den Jahresberichten der Handels= und Ge- 
werbekammern über das Jahr 1880. 
Das „Handelsblatt der Allg. Augsb. 3#g." berichtet dießfalls Fol- 
gendes: „Dem von vielen Seiten geäußerlen Wunsche, die bisher in der 
Frese vereinzelt erschienenen Auszüge aus den Jahresberichten der Handels- 
kammern für 1880 gesammelt und durch Auszüge aus den noch nicht be- 
sprochenen Berichten ergänzt zu sehen, wird jetzt entsprochen durch eine 
Publication des Vereins zur Förderung der Handelsfreiheit, welche soeben 
unter dem Titel „Deutschlands Indusche und Handel im ersten Jahr der 
neuen Zollpolitik“ ausgegeben worden ist. Das ca. 100 Seiten umfassende 
Heft bringt Auszüge aus allen Berichten, welche bis zum Schluß der Zu- 
sammenstellung erschienen waren, und zwar sind, ohne Rücksicht auf den 
handelspolitischen Standpunkt der einzelnen Kammern, überall die wichtigsten 
Auslassungen über die Geschäftslage und die Zollpolitik wortgetreu wieder- 
gegeben; in vielen Fällen. iusbesondere wo eine Ergänzung des allgemeinen 
Urtheils durch Mittheilungen über die Lage der einzelnen Branchen wün- 
schenswerth erschien, sind auch umsängliche, aber kurg gefaßte Ausgüge aus 
den Specialberichten beigegeben. Die hobe Wichtigkeit dieses unbestritten 
besten Materials zur Beurtheilung der Wirkungen der neuen Wirthschafts- 
politik tritt hier, wo es systematisch zusammengestellt und mit alphabektisch 
geordneten Uebersichten der vorzugsweise erwähnten Geichäitsweige und Zölle 
versehen, vorliegt, um so mehr ins volle Licht, als alle größeren Handels- 
und Industriebezirke Deutschlands darin vertreten sind. Wie sich bereits aus 
den in der Presse veröffentlichten Auszücen schließen ließ, lauten nun diese 
nahezu vollständig gesammelten Berichte der deutschen Handelskammern mit 
geradezu überwältigender Mehrheit der neuen Zollpolitik ungünstig. Es sind 
keineswegs allein die principiell einen freihändlerischen Standpunkt einneh- 
menden Kammern, deren Urtheile zu diesem Ergebniß führen; nein, außer 
den Kammern, in deren Bezirken die Großeisen-Industrie oder einzelne Zweige 
der Textilindustrie mahgebenden Einfluß besitzen, haben beinahe ausnahms- 
los alle Kammern über die Nachtheile zu klagen, welche der Thätigkeit sehr 
vieler, namentlich exportirender Erwerbszweige und der Ernährung der Be- 
völkerung aus der neuen Zollgeseßgebung erwachsen; in den Specialberichten 
halen selbst die entschieden sisebtoune urn Kammern manche Beschwerde 
vorzubringen. Die im Parlament von Ministern und schubzöllnerischen Wort- 
führern sowie in der officiösen Presse immer wieder aufgestellte Behanptung, 
  
 
	        
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