328 Die Oesterreichisch-Angarische Menarchie. (Jan. 7—11.)
nicht wahrscheinlich, daß sich die Tyroler Bauern so bald von der
Leitung des Clerus emancipiren werden.
7. Februar. (Oesterreich.) Die Veränderungen in der höhern
Bureaukratie werden nachgerade immer zahlreicher.
Die Ummodelung der alten österreichischen Verwaltung vollzieht sich
nicht im Wege eines offeuen Bruches mit den bisherigen Principien und der
Aufstellung neuer, dem föderalistischen System angepaßter Grundsäte, son-
dern durch allmähliche Entfernung der reichstreuen, die Traditionen der
österreichischen Bureankratie hochhaltenden Elemente von den wichtigsten Ver-
waltungsposten. An ihre Stelle treten die Protectionskinder der Polen und
Czechen, und binnen Kurzem werden uch die Freunde der Clericalen von
Amt und Würden Besit ergreifen. Die Spaltung des Clubs Hohenwart
ist beseitigt, weil Graf Taaffe der entschieden elericalen Gruppe auf den Nath
des Grafen Hohenwart den liberalen Sectionschef im Unterrichtsministerium
Dr. v. Lemayer zum Opfer brachte. In Wien ist man entrüstet über einen
Artikel der officiösen „Abendpost“, welcher gegen die Vertheilung der Aemter
au die Parkleihäupter donnert und die Unabhängigkeit des Beamtenthums
vom Parteiweien verlangt, während thatfächlich den Czechen und Polen
mehr und mehr alle wichtigen Stellen zufallen.
9. Februar. (Oesterreich.) Reichsrath: Budgetausschuß:
Der Unterrichtsminister v. Conrad bestätigt, daß die Regierung ent-
schlossen sei, den Forderungen der czechischen Nation bez. der Uni-
versität Prag entgegen zu kommen:
„Um actuell vorgehen zu können, wird die Regierung demnächst eine
Enquete= -Commission in Prag einberufen, um die nothwendigen Details durch-
zuberathen. Sobald diese Berathung vollendet ist und sobald die Regierung
klar darüber sein wird, was nur im legislativen und was im administra-
tiven Wege geregelt werden kann, wird sie ungesäumt mit ihren Vorschlägen
kommen und auch den etwa nöthigen Staatscredit in Anspruch nehmen.“
11. Februar. (Oesterreich.) Reichsrath: genehmigt das
Muchergefetz in 3. Lesung.
Der Finanzminister bringt — bezeichnender Weise ohne allen
und jeden Motivenbericht — das Gesetz über die Grundsteuer-Haupt-
kumme ein.
Dieselbe wird mit 37,5 Millionen Gulden festaeseh,. und somit er-
eint einer der wesentlichsten Zwecke der kostspieligen (20 Mill. Gulden seit
0 Jahren) und schwierigen Regulirung vereitelt, da ein Mehrertrag für
10 Staatsfinanzen nicht in Aussicht genommen ist. Der Eingang aus der
Grundsteuer soll sich von dem jehigen nicht wesentlich unterscheiden. Indeß
will die Regierung für bie Grundsteuerträger, deren Leistung sich durch die
Regulirung um mehr als 10 Procent erhöhen wird, ein Uebergangsstadium
von zehn Jahren gewähren. Selbstverständlich werden sich solche Grundbe-
siber hauptsächlich in Niederösterreich, Oberöslerreich, Steiermark und Nord-
tirol vorfinden. Wie aber dann während der zehn Jahre die volle Grund-
steuer-Hauptsumme von 37,5 Millionen Gulden hereingebracht werden soll,
da die Erhöhung in einzelnen Ländern die Ermäßigung in anderen zur
Folge hat, bleibt unaufgeklärl, und es scheint vielmehr, daß der Gesetzent-