Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

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3. März. (Ungarn.) Dem Versuch einer Anzahl Studenten 
in Pesth, auch in Ungarn eine Art Antisemitenbewegung, um „der 
Plenipotenz der Juden ein Ende zu machen“, in Gang zu bringen, 
wird vom akademischen Senate, den Gemeindebehörden und der Re- 
gierung energisch entgegen getreten. Eine öffentliche Versammlung, 
die jene Zwecke fördern sollte, wird polizeilich verboten. 
3. März. (Bosnien.) Zusammentritt einer Art Landes- 
versammlung, deren Mitglieder indeß nicht gewählt, sondern von 
der Regierung ernannt worden sind. Das Resultat scheint jedoch 
für die Regierung kein besonders befriedigendes zu sein. 
4. März. (Oesterreich.) Ein Hirtenbrief des allezeit streit- 
baren Bischofs Rudigier von Linz enthüllt die wahren Zwecke des 
clericalen Antrags Lienbacher gegen die beslehende Volksschule. 
Keine Waffe, die in den letzten Kämpfen um die Schule von der 
Linken geführt wurde, schlägt den Schulfeinden größere Wunden, als das 
voreilige Triumphgeschrei des Linzer Bischofs, der in der ungeduldigen 
Freude seines oberhirtlichen Herzens mit weit ausgestreckter Hand auf das 
Ziel hinweist, das am Ende des Weges gelegen ist, welchen die Rechle des 
Abgeordnetenhauses betreten hat. Was man den Liberalen nie geglaubt 
und im ewigen Optimismus, dem die Deutschen in Oesterreich noch so viel- 
fach unterworfen sind, als bloßen Schreckschuß zur Aufrüttlung lethargischer 
Gemüther hingesteltt hatle, das legt der Bischof offen in einem kirchlich offi- 
ciellen Actenstücke als Zweck und Ende des begonnenen Kampfes um die 
Abkürzung ker Schrhich dar. Nicht die Erleichterung der mit dem Schul- 
gesetze verbundenen Lasten, nicht die schenende Rücksicht auf locale- und 
provinzielle Eigenthümlichkeiten, nicht die Eroberung eines angeblich den 
Landtagen zugehörigen Wirkungskreises, nichts von alledem, was die Wort- 
führer der Rechten zur Verdeckung ihres schulfeindlichen Beginnens vorge- 
bracht haben, nein, einfach das Concordat mit allen seinen geistigen Schrecken 
der Fünfziger-Jahre ist es, dessen Wiederherstellung die clericale Partei an- 
strebt und mit ihrem jüngsten Beschlusse eingeleitet hat. Das Concordat! 
Kaum weiß man noch, was das heihßt. Der streitbare Bischof selbst be- 
fürchtet, daß im Laufe des Dutzends von Jahren, seit Oesterreich vom Drucke 
des Concordats befreit ist, ihm der erschöpfende Begriff von dem vollen In- 
halte, den dieses unheilvolle Wort in sich faßt, abhanden gekommen sein 
könnte, und er säumt daher nicht, die Hauptgrundsäßte besselben, insoweit 
sie die Schule betreffen, ins Gedächtniß zurückzurusen. Der Unterricht soll 
nicht der Wissenschaft, sondern der Religion gemäß ertheilt werden, daher 
untersteht die Leitung der Lehranstalten dem Bischof= Die Censur über den 
Lehrstoff übt der Bischof, die Aufsicht über die # Hrer- führt der Bischof, 
die Anstellung der Lehrer beantragt der Bischof, den Inspector der Schule 
ernennt der Bischof, den Glauben und die Sittlichkeit des Lehrers beurtheilt 
der Bischof, die Entfernung des „vom rechten Wege Abirrenden“ veranlaßt 
der Bischof — kurg in den Händen des Bischofs concentrirt sich alle Gewalt 
und Oboslerrlichtet über die Geister 
5. März. (Gesterreich.) Die Statthalterei von Nieder- 
österreich löst die „akademische Lesehalle“ in Wien auf, angeblich 
wegen Ueberschreitung ihres statutarischen Wirkungskreises.
	        
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