Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

332 Die Oeflerreichisch-Angarische Monarchie. (März 4 A0.) 
Das im Jahre 1870 gegründete Instikut, das 863 Sindierende der 
Wiener Universität als Mitglieder zählt, hatte allerdings in den letzten 
Jahren einen entschieden dentsch-nationalen Character angenommen. Gerade 
das macht ihr aber der Statthaltereierlaß zum' Vorwurf. In demselben 
wird als Grund der Auflösung angeführt, daß der Verein wiederholt seinen 
statutenmäßigen Wirkungskreis überschritten habe. Speciell werden als solche 
Ueberschreitungen die Abhaltung der Versammlung vom 14. Februar. welche 
einen ausgesprochen nationalpolilischen Character gehabt habe, und die ?D 
singung des von der Polizei beanstandeten Liedes „Deutsche Worle hör' 5 
wieder"“ gelegentlich der Lessingseier genannt. Die „Deutsche Zeitung" be- 
merkt dagegen treffend: zlinher bürgerlicher Verstand' kann die Berechtigung 
dieses Vorwurfs nicht begrei Wie — in feierlichen Thronreden wird 
das innigste Bündniß mit Sekischlan als der Angelpunct der ganzen öster- 
reichischen Staatskunst bezeichnet; unser Minister des Aeußern pflegt diesen 
Bund als die werthvollste Garantie des Friedens, als die beste Bürgschaft 
für unsere #s in den Stürmen Europa's, und es sollte bedenklich 
sein, wenn dieses politische Bündniß durch das Band der nalionalen Gemein- 
samkeit und Cultur gekräftigt wird: Was allen anderen Stämmen dieses 
Reiches anstandslos gestattet ist, die Betonung ihrer Eigenart und Nationalität, 
sollte nur uns Deutschen als pflichtwidrig und unpatriotisch gedeutet werden? 
Wohin kann diese Methode führen? Immer tiefer wird die Kluft, die sich 
zwischen unserer auswärtigen Politik und der Versöhnungsära im Innern 
aufthut, und diese Gegensähe werden kaum mehr lange Zeit neben einander 
bestehen können.“ 
4— 6. März. (Böhmen.) Die von der Regierung den 
Czechen zugestandene Commission zur Erörterung der Prager Uni- 
versitätsfrage tritt in Prag zusammen. Die Commission kann sich 
nicht einigen. 
Die Regierung scheint von der Idee einer Zweitheilung abgekommen 
zu sein und sich eher der Gründung. einer neuen czechischen Universität neben 
der deutschen zuzuneigen. Die Czechen gehen dagegen von der (unwahren) 
Ansicht aus, die Universität sei als eine r*— gründet worden und 
wenn es sich um eine neue Universität handle, so ih diese vielmehr eine 
deutsche sein. Die Argumentation hat den Zweck, die Zweitheilung zu er- 
zwingen, die nichts anderes bedeuten würde, als die allmälige vollständige 
Ueberlassung der bisher deutschen Universität Prag an die Czechen. 
8—11. März. (Oesterreich.) Reichsrath: zweite Lesung der 
Gebäudesteuervorlage der Regierung und Annahme derselben mit 
175 gegen 165 Stimmen. Die Tyroler fügen sich der Parteidisciplin, 
obgleich die Aufregung über die Steuer in Tyrol groß ist. 
10. März. (Oesterreich.) Herrenhaus: Mehrere Vorgänge 
der letzten Tage haben gezeigt, daß die verfassungstreue Partei in 
Folge der wiederholten Pärsschübe des Grafen Taaffe des Herren- 
haufes nicht mehr ganz sicher ist. Doch bestellt dasfelbe die Com- 
mission für den clericalen Antrag Lienbacher gegen die Volksschule 
mit 9 Verfassungstreuen, 3 von der Mittelpartei und 3 von der 
Rechten und diese Commission beschließt alsbald mit allen gegen die
	        
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