Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Die Oeteerreichisch--Ungerische Monarchie. (März 22.) 335 
22. März. (Oesterreich.) Reichsrath: da das Budget noch 
nicht votirt, ja noch nicht einmal in Angriff genommen ist, so be- 
willigt dasselbe die provisorische Steuererhebung auch für die Mo- 
nate April und Mai. 
22—26. März. (Hesterreich.) Reichsrath: Debatte über die 
Grundsteuer-Hauptsumme. Die Deutsch-Böhmen, die sich bei dem 
neuen Gesetz besser stehen als bisher, fallen deßhalb, Herbst an der 
Spitze, von der Opposition der Verfassungspartei ab und das Geseh 
wird schließlich mit einer Majorität von 230 gegen 94 Stimmen 
genehmigt. Die Verfassungspartei erleidet damit nicht bloß eine 
materielle, sondern auch eine moralische Niederlage. 
Die sog. Rechtspartei (Fraction Hohenwart) bringt den Ent- 
wurf einer Börsensteuer ein. Die Presse behandelt das Operat als 
Faschingsscherz, indem sie ziffermäßig nachweist, daß es zu geradezu 
lächerlichen Consequenzen führen würde. Die stärkere Heranziehung 
des mobilen Capitals zu den Staatsbedürfnissen ist eine vollkommen 
berechtigte Forderung der Zeit; aber um Vorschläge dazu zu bringen, 
muß man doch in erster Linie etwas von der Sache verstehen. 
22. März. (Oesterreich.) Die flovenischen Abgeordneten 
aus Steiermark und Krain treten neuerdings zu einer Berathung 
zusammen, um die Erlassung einer Sprachenverordnung für die von 
ihnen vertretenen Bezirke zu fordern. Vornehmlich handelt es sich 
bei ihnen darum, das nöthige Material zur Begründung und nach- 
drücklichen Vertretung ihres Antrages zu sammeln. — Die Führer 
der czechisch-polnischen Partei in Schlesien beschließen, noch vor der 
Vertagung des Reichsrathes eine Deputation nach Wien zu entsen- 
den, welche dem Ministerpräsidenten ein Memorandum wegen Slavi- 
sirung Schlesiens überreichen soll. Der Landtags Abgeordnete Cien= 
ciala begibt sich nach Wien, um sich diesbezüglich mit den Obmän= 
nern des polnischen und czechischen Abgeordneten-Clubs, sowie mit 
den Landsmann-Ministern ins Einvernehmen zu sehzen. 
22. März. (Ungarn.) Unterhaus: der Justizminister legt 
demselben den Entwurf eines Ehegeseces zwischen Christen und Ju- 
den vor. 
Dasselbe soll lediglich eine Lücke des bestehenden Ehegesehes ausfüllen. 
Diesem Geseh gemäß ist nämlich die Eheschließung zwischen sämmllichen 
Bewohnern des Landes ohne Unterschied der Confession, mit einziger Aus- 
nahme der zwischen Christen und Israeliten, gestattet. Durch den vorlie- 
genden Entwurf wird nun dieses letzte confessionelle Ehehinderniß, aber auch 
nur dieses, beseitigt. In allem übrigen schließt sich der neue Entwurf so- 
wohl bezüglich der Ehehindernisse als der Bedingungen der Trennung und
	        
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