Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 13.) 11
gemeinte Controle unsere Finanzwirthschaft den etwa unterlaufenden Miß-
bräuchen vorbeugen und durch weise Sparsamkeit im Landeshaushalt eine
Verminderung der Steuerlast herbeiführen. Auf politischem Gebiete weise
ich das System der nutzlosen Protestation und den kleinlichen Widerspruchs-
geist zurück; ich möchte im Einverständniß mit meinen vernünftig denkenden
Landsleuten die erlangten Vergünstigungen und Vortheile erweitern und be-
festigen und durch ein kluges und festes Vorgehen, durch eine eben so wür-
dige als versöhnliche Haltung nach und nach dazu kommen, aus den Ueber-
gangsverhältnissen heraustreten und endlich das allgemeine Streben nach
einer autonomen Constitution verwirklichen zu können, wodurch Elsaß- Loth-
ringen den übrigen Ländern des Reiches gleichgestellt würde. . . . ."
13. Januar. (Deutsches Reich.) Bundesrath: die Aus-
schüsse, bei denen der am 22. April v. J. vom Reichskanzler vor-
gelegte Wehrsteuer-Gesetzentwurf stecken geblieben ist, beantragen nun-
mehr die Annahme desselben zur Vorlage an den Reichstag, doch
mit nicht unwesentlichen Modificationen.
Die wichtigste Abänderung ist offenbar die: daß, während die Vor-
lage bezüglich der Controle über die Ausführung des Gesetzes den Art. 36
der Reichsverfassung als maßgebend hinstellte, d. h. dem Kaiser, bezw. Reichs-
beamten, die Controle übertragen wollte, diese vielmehr den Behörden und
Beamten der Landesregierungen zustehen soll. Ausschuß- Verhandlungen schei-
nen nicht statt gefunden und die Ausschüsse sich damit begnügt zu haben,
dem Plenum nur ihre Anträge zu dem Gesetz vorzulegen.
13.—17. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: zweite Lesung
des Competenz-Gesetzentwurfes. Ein Bericht Gneist's begründet die
von der Commission vorgeschlagenen Modificationen der Vorlage.
Die Debatte gestaltet sich in ihrem Anfang zu einer principiellen Er-
örterung über die Competenzgesetzgebung des verflossenen Decenniums über-
haupt, indem die einzelnen Parteien durch den Mund ihrer Führer ihre
Stellung zu dem Antrag Hänel, statt des vorliegenden Entwurfs eine bloße
auf die sechs östlichen Provinzen beschränkte Novelle zu dem bisherigen Zu-
ständigkeitsgesetze anzunehmen, aus allgemeineren leitenden Gesichtspunkten
heraus begründen lassen. Hänel sucht durch eine Reihe von Detailangaben
den Nachweis zu führen, daß der Regierungsentwurf durchaus nicht, wie
behauptet worden, gemeines Recht schaffe, noch die Principien der Selbstver-
waltung befriedigend weiterführe; vielmehr sei er geeignet, die Bureaukratie zu
stärken und nach jeder Richtung hin verwirrend zu wirken, und erklärt mit allem
Nachdruck, daß die Fortschrittspartei, die nicht die Illusion habe, ihre An-
träge dießmal durchbringen zu können, jede Verantwortlichkeit für die aus
der Annahme des Zuständigkeitsgesetzes entspringenden Folgen ablehne. Von
Conservativer Seite unternimmt es der Abg. v. Rauchhaupt, die Argumen-
tation Hänels zu widerlegen, doch läßt er sich auf dessen fachliche Erwägung
wenig ein und gleitet bald in das bequemere Fahrwasser der reinen Wahl-
propaganda über. Aber er hat dießmal ebensowenig Glück hiermit wie kürz-
lich, als seine Uebertreibungen von dem Niedergang des bäuerlichen Besitzes
vor den statistischen Nachweisen des landwirthschaftlichen Ministers selbst in
nichts zusammenfielen. Rickert weist überzeugend nach, wie kleinlich es
von dem conservativen Führer sei, heute die Gesetzgebung, an welcher gerade
die Conservativen vorzugsweise bestimmend mitgewirkt hätten, zu verläugnen
und unvermeidliche Mängel derselben vor dem Lande den Liberalen aufzu-
bürden. Besonders grell tritt auch durch diese Ausführungen die totale In-