Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 14.) 13
11. Januar. (Preußen.) Die „Köln. Ztg.“ will aus Rom
wissen, daß der Papst sich „im Princip“ mit der Ernennung von
Bisthumsverwesern in den durch Todesfall erledigten (vier) Diöcesen
einverstanden erklärt habe. — Der Abg. Windthorst bringt im
Abg.-Hause, von allen Mitgliedern des Centrums und von den
Polen unterstützt, den Antrag ein: „den Strafbestimmungen der Ge-
setze vom 11. und 12. Mai 1873 und vom 20. und 21. Mai 1874
und vom 22. April 1875 unterliegt das Spenden der Sacramente
und das Lesen der Messe nicht“.
Jene Nachricht und dieser Antrag geben der Presse Gelegenheit, die
thatsächliche Lage in den kath. Diöcesen Preußens neuerdings in
überraschender und höchst interessanter Weise darzulegen. So schreibt ein
Corresp. aus Köln der Wiener „Deutschen Zeitung“: „Die sensationelle
Mittheilung der „Kölner Zeitung“, „ daß der Papst den preußischen Dom-
kapiteln im Princip erlaubt habe, Bisthumsverwalter zu wählen, und sich
nur die schwierigen Fälle, z. B. Fulda, für seine Entscheidung vorbehalten
habe, ist hier ungläubig aufgenommen worden. Es war nämlich bekannt,
daß seit dem Kölner Dombaufeste die Kluft zwischen Rom und Berlin eine
größere geworden ist, und es lag kein Grund und keinerlei Anzeichen vor,
daß der Vatican geneigt sei, plötzlich mit einer nicht unwesentlichen Con-
cession an den Staat hervorzutreten. Das Recht der Domcapitel, nach dem
Ableben der Bischöfe Capitularvicare zu erwählen, ist bisher noch nicht in
Frage gewesen; aber diese Capitularvicare sind in den erledigten Bisthümern,
in Trier, Fulda, Paderborn, Osnabrück nicht gewählt worden, weil dieselben
dem Staate einen Eid zu leisten hätten, welchen der Papst zu leisten ver-
bietet. Also hier steht Alles beim Alten. Trotzdem ist es gewiß, daß so-
wohl in den durch den Tod wie in den durch die Verbannung der Bischöfe
erledigten Bisthümern ein Bisthumsverwalter existirt — in Köln ist es
Professor Häuser — welcher die Stelle des Bischofs vertritt und die Diö-
cese verwaltet. Von diesem Verwalter gehen die nöthigen Anordnungen und
Befehle an die Pfarreien aus, wie in gewöhnlichen Zeiten. Es wird aber
kein Auftrag oder Befehl gegeben, welcher nicht von dem verbannten Bischof
gekannt und gutgeheißen wurde. So erhielten die Geistlichen in der Diöcese
Köln bei Gelegenheit des Kölner Dombaufestes die Weisung, nicht nach Köln
zu kommen und sich überhaupt von dem Feste fernzuhalten. In Trier,
Paderborn etc. hat der Bisthumsverweser natürlich einen weitern Spielraum
und man ist in clericalen Kreisen der Ansicht, daß diese Verweser dem Mini-
sterium in Berlin bekannt sind, sowie ja auch in der Bürgerschaft der be-
treffenden Städte die Verweser keine unbekannten Persönlichkeiten sind. Das
Ministerium Puttkamer muß aber seine besondern Gründe haben, mit der
Forderung des Eides nicht an die Verweser heranzutreten und dieselben in
der bisherigen ungesetzlichen Weise in Function zu belassen. Aus diesem
Zustande der Dinge, der schon einige Zeit andauert, ist die Vermuthung ge-
zogen worden und ist auch wahrscheinlich die Meldung der „Köln. Ztg."
entstanden, daß der Papst die Wahl der Bischöfe zugestanden habe. Die
zweifelhafte Verwaltung der Diöcesen kann freilich die zunehmende Des-
organisation nicht verhindern. In den Diöcesen herrscht vor den heimlich
waltenden Verwesern nicht der geeignete Respect und die zunehmende Ver-
waisung der Pfarreien trägt dazu bei, die Schwierigkeiten zu steigern. Man
wäre übel berichtet, wenn man annehmen wollte, daß die Rückberufung der
verbannten Bischöfe oder die offene Einsetzung energischer Verweser heute