406 Spanien. (April 13 — Anf. Juni.)
13. April. Ein k. Decret befiehlt die sofortige Inkraftsetzung
der spanischen Verfassung auf Cuba.
1—4. Mai. Allgemeine Municipalwahlen. Uebereinstimmende
Meldungen rechnen es dem Cabinete Sagasta zur Ehre an, daß
Spanien seit Langem keine von der Regierung so wenig beeinflußte
Wahlcampagne erlebt habe. Trotzdem ist das Ulebergewicht der
Dynastisch-Liberalen in allen Provinzen so bedeulend, daß das Ca-
binet damit eine neue Kräftigung erfährt. Die Conservativen von
der Farbe Canova's sind fast allenthalben unterlegen. In ihre Erb-
schaft theilen sich die Carlisten in den baskischen Provinzen, Navarra
und Mittelspanien, die Republikaner, Demokraten und Progressisten
in den großen Städten, sowie den Süd= und ÖOstprovinzen.
Mitte Mai. In Folge des Vorgehens Frankreichs gegen
Tunis erörtern die spanischen Blätter ganz ernsthaft die Frage eines
„Protectorats“ Spaniens über Marocco.
25. Mai. Die Regierung hebt die Verbannung Zorilla's
auf. Zorilla weigert sich jedoch, von der Erlaubniß Gebrauch zu
machen und bleibt in Paris.
Anfang Juni. Zusammenkunft der Führer der verschiedenen
demokratischen (republikanischen) Fractionen auf französischem Boden
in Viarritz. Dieselben können sich nicht einigen.
Obgleich sich die Theilnehmer zu unerbrüchlichem Stillschweigen ver-
pflichten, so driugen durch die indirecte Redseligkeit der progressistischen
Blätter doch zahlreiche Details in die Heffentlichleit. So erfährt man denn,
daß der Versammlung als Basis der Discussion ein Programm gedient hat,
welches folgende drei Puncte umfaßle: Rcorganisirung der democratisch-pro-
gressistischen Partei; Ernennung einer leitenden Innta; Wiederherstellung
der Einigkeit der Prrtei ohne Nürcksicht auf den verschiedenartigen Character
ihrer einzelnen Elemente. Des weiteren wurde die Haltung berathen, welche
die demorralische Partei der gegenwärtigen Regierung gegenüber zu beobachten
hätte, und das Wahlprogramm für die nächste Wahlcampagne festgestellt.
Man weiß überdieß, rrn drei verschiedene Strömungen zu Tage traten,
welche die Nealisirung des die Einigung betreffenden Programmpunctes nahe-
zu als ein Ding der Unmöglichkeit erscheinen lassen. Es läßt sich vorder-
hand nicht annehmen, daß die Klust, durch welche die Parteien von einander
getrennt werden, bald überbrückt werden wird. Im Ganzen genommen hat
jedoch die demorratische Bewegung seit dem Amtzantritte des gegenwärtigen
Cabinets unleugbar bedeutende Fortschritte aufzuweisen. Es hängt dieß mit
der nahezu unbeschränkten Freiheit zusammen, welche das Cabinet Sagasta
der Entfaltung des democratischen Elements gestattet. Es werden aber auch
immer mehr Stimmen der Besorgniß laut, und selbst erklärte Liberale
sprechen es offen aus, daß das absolute Gewährenlassen des Cabinets Sagasta.
den Interessen der Democratie jedenfalls besser diene, als denen Spaniens
und seiner Dynastie.