Spanien. (Juni 26. Juli.) 407
26. Juni. Ein k. Deeret spricht die Auflösung der Cortes
aus und ordnet die Neuwahl des Congresses auf den 21. August
und die des gewähllen Theils des Senals auf den 2. September an.
Die neuen Cortes sollen am 20. September in Madrid zusammen-
treten.
Die Regierung hat mit der Auflösung der Rammer vor der Votirung
des Budgets durch die Cortes einen Act vollzogen, der, man möge die Sache
wenden, wie man will, als eine Verletzung der constitutionellen Gesetze an-
gesehen werden muß. Nach allgemeiner Anschanung wäre es dem Cabinet
ein Leichtes gewesen, jeden Verstoß gegen die Grundgesetze der Verfassung
zu vermeiden, ohne dadurch seiner Sache im Entferntesten zu schaden. Es
hätte, nachdem doch das Budgetjahr am 30. Juni abläuft, den Kammern
die durch die Verfassung vorgeschriebenen Gesetzentwürse vorlegen sollen und
unmittelbar bierauf' seinen Wünschen gemäß zur Schließung des Parlaments
schreiten können. Das Cabinet Sagasta hat sich jedoch nun einmal über
alle Bedenken hinweggesekt, und arbeitet mit vollem Eifer an der Zusammen-
setzung einer seinen Wünschen entsprechenden Kammer, das heißt, es ist be-
müht, eine compacte Mehrheit in den künftigen Cortes zu erlangen, was
ihm ohne Zweifel auch gelingen und die ihm dann ohne Schwierigkeit In-
demnität gewähren wird. Größer sind noch die Bedenken gegen die fort-
währende Unthätigkeit der Regierung gegenüber den democratischen Agi-
tationen. Sagasta sollte doch bedenken, daß seine Duldsamkeit gegen jede
Art von politischer Mein#ungsbnsterun allzuweit gehe, wenn er die Radi-
calen unbehindert laut vor aller Welt die Gründung einer spanischen Re-
publik bredigen lasse, und ihren wühlerischen, antidynastischen Agitationen
keinen Damm entgegenstelle. Herr Sagasta sieht wahrscheinlich die Radi-
calen als ungefährliche Utopisten an; es sei. die Conjervativen behaupten
aber, und kaum mit Unrecht, daß man eben schwärmerische, unklar denkende
Verkünder von Rtopien nicht im Lande gleichsam als Wanderprediger herum-
ziehen, und dem Volke Lehren vortragen lassen dürfe, deren Berechtigung
oder Widersinnigkeit es durchaus nicht zu beurtheilen vermag.
— Juni. In Saida (Provinz Oran in Algier) werden zahl-
reiche spanische Colonisien von den Arabern niedergemetzelt und ihre
Pflanzungen zerstört. Die öffentliche Meinung, die ohnehin schon
bisher den Franzofen die thatsächliche Annexion von Tunis nicht
gönnen mochte, wird dadurch bis zur Erbitterung gegen sie gereigt,
die sich überall und aufs unverhohleuste ausspricht.
— Juli. Die Erbitterung gegen Frankreich wegen des Ge-
metzels von Saida dauert ungeschwächt fort und wird durch die aus
Oran zurückkehrenden spanischen Colonisten, deren Zahl auf 20,000
angegeben wird, noch verstärkt. Dazu kommt noch als neues Mo-
ment das Benehmen der Frangosen gegen die Spanier nach der
Einnahme von Sfax (Tunis).
Die spanischen Blätter berichten darüber: „Am 16. d. M. landeten
die Franzosen in Sfax. Der Zusammenstoß mit den Eingebornen war,
wie es scheint, ein außerordenklich blutiger. Fast vier Wochen lang ver-