Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

Franbreich. (Febr. 3.—7.) 137 
wollle, wurde abgelehnt. Dagegen wurden obscöne Publicationen und Tissa= 
mation von Privatpersonen mit schärferen Strafen als bieher bedroht. 
3. Februar. Kammer: Proust, einer der Adjutanten Gam- 
betta's, interpellirt die Regierung wegen ihrer Haltung in der grie- 
chischen Frage, indem sie Griechenland in seinen Forderungen nicht 
genügend unterstütze und tadelt namentlich den Schiedsgerichtsvor- 
schlag, die Kammer billigt jedoch einstimmig die friedfertige Politik 
der Regierung und des Ministers des Auswärtigen, Bartheolemy 
St. Hilaire. 
Proust meint, Frankreich dürfe der griechischen Frage gegenüber sich 
nicht gleichgillig verhallen, die griechische Frage nicht fallen lassen. Lamy 
vertheidigt die Politik Barthelemy's und mißbilligt die den griechischen 
Prätensionen ertheilten Ermuthigungen. VBarth. Saint-Hilaire erklärl: 
er müsse bei aller Sympathie für Griechenland doch Griechenland Unrecht 
geben; Griechenland täusche sich mit seiner Auslegung der Beschlüsse des 
Berliner Congresses und der Conferenz. Er bekont sodann den rein frei- 
willigen Character der von der Türkei gemachten Concession. Europa könne 
Epirus und Thessalien nicht weggeben, da sie ihm nicht gehören. Der 
Schiedsgerichtsvorschlag habe keineswegs das enropäische Concert compro- 
mittirt; dasselbe sei gegenwärtig in Konstantinopel thätig. In Berlin sei 
nichts beschlossen worden, was die Ausführung durch materielle Gewalt in 
sich schließe. Frankreich gab Griechenland Nathschläge; Griechenland seht 
aber seine Rüstungen fort. Frankreichs Politik werde immer eine Politik 
des Friedens sein. Griechenland würde weise handeln, wenn es zu rüsten 
anfhörte und sein Vertrauen in das Wohlwollen Europa's setzte. Unter 
wiederholtem Beifall betont der Minister sein Friedensprogramm und die 
Hoffnung, der Friede werde erhalten bleiben. 
3. Februar. Neue Differenzen mit Italien wegen Tunis. 
Die tunisische Regierung wetteifert förmlich mit Italien, Frankreich 
nach jeder Richtung Schwierigkeiten zu bereiten. Abgesehen von einigen die 
Sitnation kennkeichnenden Formalitäten, wie Verleihung des Großcordous 
des Nischan el Ifstichar an den italienischen Generalconful Maccib und des 
Großofficierkreuzes desselben Ordens an den italienischen Consulatspolmetsch 
wenige Tage nach der Rückkehr der kunisischen Deputation aus Pal ermo, 
entstehen fast jeden Tag neue Conflicte, die bald ernstere Timensionen an- 
nehmen könnten, wie in der Eisenbahnfrage Tunis-Susa und in der sog. 
Enfida- Angelegenheit. Frankreich schickt ein weiteres Panzerschiff nach Tunis, 
s daß r nunmehr zwei große Kriegsdampfer in der Station vor Tunis 
iegen 
5. Februar. Kammer: lehnt die Wiedereinführung der Ehe- 
scheidung mit 261 gegen 225 Stimmen ab. 
7. Februar. Die Regierung der Vereinigten Staaten von 
Nordamerika stimmt dem Vorschlage Frankreichs bez. einer inter- 
nationalen Münzconferenz in Paris behufs Einführung der Doppel- 
währung bei und bevollmächtigt den Unionsconful in Paris zu den 
erforderlichen Vorverhandlungen. Beide Regierungen wollen ge- 
meinsam die übrigen Mächte zur Beschickung der Conferenz einladen.
	        
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