Franbreich. (Mai 25—28.) 449
25—30. Mai. Gambetta's Besuch in seiner Vakerstadt Cahors.
Er wird überall in einer Weise gefeiert, daß es kaum möglich ge-
wesen wäre, es noch weiter zu treiben. Aber, nachdem die ruhige
Ueberlegung zurückgekehrt, macht sein ganzes Gebahren dabei einen
für ihn sehr ungünstigen Eindruck.
Er reist mit einem Gesolge von ca. 20 Personen und mit wahrhaft
kaiserlichem Gepränge. Die Neije gleicht einem förmlichen Triumphzuge.
Ein sogenannter officieller Empfang findet eigenllich nirgends slatt, aber die
Bevölkerung läßt es an spontanen Ovationen nicht fehlen. In Orleans, in
Libos, in Castelfranc, an der Grenze des Lot-Deparlements und in Cahors
selbst hat sich eine große Menschenmenge aus den benachbarten Bezirken ein-
gefunden, um ihn zu begrüßen. Ueberall werden Ansprachen an ihn gehalten,
auf die er antwortet. In Cahors wird es noch weiter getrieben. Gam-
betla gebärdet sich in Cahors wie ein Souveräu, und, was das Wichtigste
ist, die officielle Welt wie das Volk behandeln ihn als solchen, blicken zu
ihm hinauf als zu ihrem Herrn und Gebieter. Mit einziger Ausnahme des
Clerns huldigen ihm alle Behörden. Selbst aus den benachbarten Departe-
ments eilen Generale und Präfecten herbei, um sich dem Gefolge anzu=
schließen, ohne welches Gambetia sich nicht öffentlich zeigt. Das Hotel, in
welchem er abgestiegen, gleicht einem Hoflager. Die huldigenden Behörden
und Deputationen lösen sich ab, Gambetta empfängt sie an der Spibe eines
förmlichen Hofstaats. Mährend seines Aufenthalts ergriff er dreimal zu
längerer Rede das Wort. Die erstere dieser Reden behandelt gewissermaßen
die auswärtigen Angelegenheiten, die zweite berührt die innere politische und
gouvernementale Frage, und die drilte richtet sich speciell an die landwirth=
schaftlichen Interessen unter Anknüpfung an den landwirthschaftlichen Gort
greß in Cahors. Allein wie mannichfaltig auch das Thema war, die
Reden bilden dennoch, selbst zfammengeiatt. noch kein eigentliches WMaht
oder ministerielles Programm, welches die öffentliche Meinung zu hören er-
warlet hat. Es werden indeß wohl gute Gründe gewesen sein, die Gambetta
abgehalten haben, einer solchen Erwartung Rechnung zu tragen. Ohne
Zweifel wünschte Gambelta nur zuvor das Terrain elwas zu säubern und
den Raum frei zu machen, auf den er sich zur Stunde der Wahlen zu siellen
gedenkt. Er wollte zunächst gewisse Einwände beseitigen, welche in der
l ten Zeit so manche Angriffe gegen ihn hervorgerufen hatten. Man hat
4% angeklagt, kriegs= und revauchelustig zu sein, den Präsidenlen der Re-
publik in seiner Autorität und eventuell in seiner Stellung zu bedrohen,
und durch eine Revision der Verfassung gegen den Senat zu operiren. Auf
das gibt er in seinen Reden Antwort; er spricht, um das Ausland, den
Präsidenten und den Senat zu beruhigen, namentlich den lehteren, der ja
zunächst über die Einführung des Listenserntiniums zu entscheiden hat Gam-
belta spricht sich eben darum entschieden gegen eine Reform desselben aus.
28. Mai. Kammer: beräth das Reerutirungsgesetz. Ferry
bekämpft den Artikel des Commissionsantrags, wonach den Semi-
narislen eine 4= oder 5jährige Dienstzeit, den weltlichen Lehrern da-
gegen nur eine 1jährige auferlegt werden soll. Die Kammer lehnt
den Artikel der Commission ab und nimmt mit 307 gegen 181 St.
den Gesetzenkwurf in der Fassung der Regierungsvorlage an, welche den
Seminaristen wie den weltlichen Lehrern die 1jähr. Dienstzeit vorschreibt.