Franbreich. (Ang. 1—18.) 457
den Wahlkampf einzutreten, da die Regierung selbst gespalten ist.
Dagegen hat Gambetta seinen Platz an der Spitze der Bewegung
bereits eingenommen, um dieselbe wenigstens so weit in seinem Sinne
zu leiten, als es ohne das Listenscrutinium möglich ist.
4. August. Gambetta erklärt sich in einer Rede in Tours
für eine partielle Revision der Verfassung durch Abänderung des
Wahlmodus des Senats, nachdem er sich noch in Cahors sehr ent-
schieden gegen eine solche Reform ausgesprochen hatte, weil der Senat
inzwischen das Listenserntinium verworfen hat.
10. August. Eröffnung einer electrischen Ausstellung in Paris,
die bald das allgemeine Interesse Europas erregt und sich als sehr
bedeutsam und folgenreich bewährt. Deutschland ist daran nach
Frankreich am bedeutsamsten und gahlreichsten vertreten.
11. August. Der Ministerpräsident Ferry hält in Nancy eine
Wahlrede, in der er sich dem Willen Gambetta's beugt und die Re-
form des Senates acceptirt, gegen die er sich noch vor zwei Mo-
naten energisch ausgesprochen hatte, um, wie er sagt, jede Spaltung
innerhalb der republikanischen Partei zu vermeiden.
12. August. Gambetta hält in Belleville, seinem Wahlkreise,
seine eigentliche Programmrede. Außer der Reform des Senats,
über welche das Land, wie er behauptet, bereits einig sei, verlangt
er eine ganze Reihe politischer, administrativer und sozialer Re-
formen, übrigens in ziemlich gemäßigter, opportunistischer Form.
Man schließt daraus, daß er geneigt sei, nach den Wahlen das
Präsidium des Ministerrathes zu übernehmen.
16. August. Gambetta scheitert mit seiner Wahlrede in Cha-
ronne, dem zweiten Wahlbezirke von Velleville, wo sich mehr als
6000 Wähler, meist Kleinbürger und Fabrikarbeiler in ihren Werk-
tagskleidern eingefunden haben. Er kann gar nicht zu Worte kom-
men, ereifert sich, geräth endlich in gewaltigen Zorn, muß es aber
nach 20 Minuten aufgeben und sich zurückziehen, indem er seinen
Gegnern zuruft: „Ihr Schreier seid betrunkene Selaven, die ich bis
in ihre Höhlen verfolgen werde.“
18. August. Die Handelsvertrags-Unterhandlungen mit Eng-
land werden abgebrochen. England will durch den neuen Handels-
vertrag nicht schlechter gestellt werden, als es durch den bisherigen
war und sich namentlich nicht die von den beiden Kammern be-
schlossenen specifischen Zölle statt der bisherigen Werthzölle gefallen
lassen. Die Unterhandlungen werden indeß später doch wieder auf-