Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

474 Slalien. (Anf. Nov. — Dec. 6.) 
Anfang November. Die Rechte ist über die nunmehr gegen- 
über der Linken und bez. der auswärtigen Politik einzunehmenden 
Haltung nicht einig. Ihre Führer Sella und Minghetti gehen 
dießfalls wesentlich auseinander. 
3. November. Der neue Handelsvertrag mit Frankreich wird 
in Paris unterzeichnet. 
17. November. Der König trifft wieder in Nom ein und 
wird von der Bevölkerung mit demonstrativen Ovationen empfangen. 
Wiederzusammentritt der beiden Kammern. 
30. November. Kammer: beräth das wesentlich erhöhte Mi- 
litärbudget für 1882. 
Der Minister und der Referent erklären übereinstimmend, daß mit 
den gegenwärtigen Vorlagen für die nothwendigsten Bedürfnisse, wie die 
Befestigung der Alpenpässe und der strategisch wichtigen Küstenpuncte gejorgt 
sei, andere Projecte aber folgen und in einem General- Landesvertheidigungs- 
plan 1882 ihren Abschluß finden würden. Nicotera ist damit nicht zu- 
frieden, weil auch die Befestigung Sardiniens, Taranto's, der Meerenge von 
Messina und Spezia's ein dringendes Bedürfniß sei. 
6— 9. December. Kammer: Debatte über die auswärtige 
Politik und namentlich das Verhältniß zu Deutschland gelegentlich 
des Budgets des Auswärtigen. 
Massari bespricht die Reise des Königs nach Wien, welche das 
ganze Land mit begeistertem Beifalle begrüßte und wünscht, daß die Minister 
die Zweifel bezüglich der Verwirklichung der von der Reise erwarteten guten 
Folgen zerstreuen. Sonnino erklärt die Wiener Reise als ein sehr wich- 
girer Ereigniß, als den Beginn eines rationellen Systems von Allianzen. 
Er setze keinen Zweifel in die Intentionen der Regierung, aber die Erklä- 
rungen der ungarischen Staatsmänner, die Haltung der ungarischen und der 
deutschen Presse, die Aeußerungen des Fürsten Bismarck und andere Um- 
stände machen den berechtigten Argwohn rege, daß es Italien nicht gelungen 
sei, das Mißtrauen Europa's gegen Italien zu zerstreuen. Man müsse also 
in ein Bündniß mit Oesterreich-Ungarn und Deutschland als nühlichen 
Alliirten ohne Bedenken eintreten. Minghetti: man habe der Wiener 
Reise Beifall gezollt, weil sie von hervorragend politischer Bedeutung sei. 
Die Reise sei opportun und nothwendig gewesen, um Italien aus einer ge- 
fährlichen Isolirung herauszuziehen. Sobald Italien einmal unabhängig 
war, hörte der Jahrhunderte lange Groll zwischen Italien und Oesterreich 
f. Nach der Occupation Roms half uns die wohlwollende Haltung 
Oesterreichs viele Schwierigkeiten übersteigen. Er glaubt nicht, daß man in 
Wien Verträge unterzeichnet, hofft aber, daß man dort eine gemeinsame 
Action vereinbart habe. Der Zweck der Wiener Reise dehne sich auch auf 
Deutschland aus. Unangenehme, Zwischenfäle dürfen diese Berhaltungslinien 
nicht modificiren. een Worten des Fürsten Bismarck, welche nicht 
von der Absicht zn dch, waren, Italien direct zu beleidigen, bedürfe es, 
um den angedenteten Zweck zu erreichen, der Zeit. Eine geschickte und loyale 
auswärtige Politik müsse die verbreiteten Vorurtheile über hinterlistige 
Pläne und beunruhigende Bestrebungen Ikaliens zerstreuen. Die Regierung 
müsse eine feste Richtschnuur des Verhaltens haben, derselben die innere 
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