478 Die päpstliche Curie. (Juli 5—13.)
und ist gegen die Fanatiker unter den Cardinälen und Prälaten ge-
richtet. Das Buch wird in Rom als ein Ereigniß angesehen.
5. Juli. Der Papst empfängt ca. 1400 Slavenpilger, welche
den verschiedenen Nationalitäten der katholischen Slaven besonders
Oesterreichs, Czechen, Croaten, Polen, Ruthenen, Bulgaren u. a.
„von der Küste des adriatischen Meeres bis zu den fernen Steppen
Nowgorods“ angehören.
Zahlreiche Cardinäle, 37 Bischöfe und Prälaten sind anwesend-
Bischof Stroßmayer verliest eine lateinische Adresse, in welcher er sich glück-
lich preist, sich in Rom an der Spihe der großen Slavenschaar zu befinden,
woraus er die efimg der baldigen Rückkehr der Schismatiker folgert.
Der Papst erwiedert mit einer lateinischen, ausschtteglich religiösen Rede;
doch begnügt er sich darin nicht mit der historischen Darlegung der christ-
lichen Sendung und apostolischen Laufbahn der beiden Slaven= Apostel Cyrill
und Methud, sondern spricht von „einer großen Mission der Slaven“ und
empfiehlt der großen „abtrünnig. gewordenen slavischen Nation“ die Wieder-
vereinigung mit der kalholischen Kirche. Der Vorgang is nicht ohne wesent-
lich politische Bedeutung. In Oesterreich knüpft man an die Demonstration
nicht geringe Hoffnungen, in Rußland sieht man sie dagegen sehr ungern.
Die professionellen Panflavisten besonders können darüber ihren Mißmuth
und Groll nicht verhehlen. Sie spüren in der gegenseitigen Annäherung der
Czechen, Polen, Croaten, Ruthenen u. s. w. die Umrisse einer neuen Grup-
pirung, welche die Abschwächung des zusfichen Einflusses auf die westllichen
Slaven zur Folge haben muß. Sie gehen weiter. Ihre Koryphäen sprechen
es laut und offen aus, daß es sich hier, unter der Hülle einer kirchlichen
Kundgebung, um das Einleiten einer weit reichenden volieischen Action Ban
delt. „Man hat ein ganzes System etworsen“ — sagt die „Russs“, Aksa-
koffs in Moskau erscheinendes Leiborgan — Zzur Vereinigung aller katho-
lischen Slaven, unten der Aegide des shoabsburglche Hauses, mit Hilse des
Fürsten Bismarck und des ganzen westlichen Europa. Zu diesem Zwecke
hat Papst Leo XllIl. * jüngste Eneyklica über die Dentistration der Apostel
Cyrillus und Methodius veröffentlicht.“
10. Juli. Der Papst erläßt eine lange Encyelica diuturnum
illud über das Verhältniß der Kirche zu den Fürsten und den Völ-
kern, in der er den ersteren das Bündniß der Kirche als die einzige
oder doch wirksamste Hilfe im Kampfe gegen Sozialismus und Re-
volution anbietet.
12|/13. Juli. Scandal bei der Ueberführung der Leiche Pius IX.
von der Peterskirche nach S. Lorenzo fuori le mura.
Die Ueberführung sollte in aller Stille während der Nacht geschehen
und die Behörden hatten unter dieser Voraussehung die Ruhe und Ordnung
verbürgt. Allein das Capitel von St. Peter und die Vorstände der kath.
Gesellschaften hatten es anders beschlossen. Die Ueberführung erfolgte mit
großem Gepränge und dem Leichenwagen folgten nicht nur zahlreiche Prä-
laten und Priester, sondern auch bei 2000 Mitglieder der kath. Gesellschaften
mit Kerzen und Fackeln. Der Zug wird von den Zuschauern erst mit Aus-
rufen: „Es lebe Italien! Nieder mit den Priestern! Werft ihn in die Tiber!“