510 Kaßland. (Mai 14—16.)
auch den immer der Stimme des Guten und der Ehre folgenden landbe-
sihenden Adel heranzog, schuf er die großen Justigreformen und berief feine
Unterthanen, welche er ohne Unterschied auf immer frei machte, zur localen
und allgemeinen wirthschesttichen Selbstverwaltung Ja! Möge sein An-
denken immerdar gesegnet sein! Der durch verworfene Ungeheuer verübte
gemeine und verruchte Mord des russischen Herrschers inmitten seines treuen
Volkes, das stets bereit ist, für ihn sein Leben hinzugeben, ist ein grauen=
haftes, schmachvolles, in Rußland unerhörtes Ereigniß, welches unser ganzes
Land in Trauer und Entsezen hüllte. In unserer großen Betrübniß be-
fiehlt uns Gottes Stimme fest die Zügel der Regierung zu
halten! in der Zuversicht auf die göttliche Vorsehung und in
dem Glauben an die Kraft und die Wahrheit der selbstherr-
scherlichen Gewalt, welche wir berufen sind, zu befestigen und
zu bewahren vor jeder nfechtung zum Wohle des Volkes. Jal
Mäögen sich wieder bernhigen die von Erregung und Entsehen erfüllten
Herzen unserer getrenen Unterthanen, Aller, die das Vaterland lieb haben
und von Geschlecht zu Geschlecht treu zu dem angestammten Herrscherhaufe
standen. Unter seinem Schuhe und mit ihm in unverbrüchlichem Bunde
hat unser Land mehr als Einmal Zeiten großer Unruhe durchlebt und ging
es durch schwere Prüfungen und Drangsale hindurch zu Kraft und Ehre
im Glauben an Gott, den Lenker seines Geschickes. Indem wir uns unserer
großen Aufgabe weihen, rufen wir alle unsere getreuen Unterthanen auf,
uns und dem Staate in Treue und Wahrheit zu dienen zur A närottung
der nichtswürdigen aufrührerischen Bestrebungen, wocche die russische Erde
mit Schande bedecken, zur Befestigung von Sittlichkeit und Glauben, zu
rechtschaffener Erziehung der Kinder, zur Vernichtung von Lüge und Verun-
treuung, zur Herstellung von Ordnung und Necht in der Thätigkeit der
Rußland von seinem Wohlthäter, unjserem vielgellebten Vater, verliehenen
Institutionen.“
Das Manifest soll von dem Geheimrath Pobedonoszew verfaßt sein
und derselbe also den vollständigen Sieg über die Zarin und den Grafen
Loris-Melikoff davongetragen haben. In St. Petersburg ruft dasselbe bei
allen Parteien geradezu Bestürzung hervor. Der „Porzadok“" (Ordnung)
äußert: „Rußland kennt jeyt seine Zukunft“, der „Golos“ meint, daß mit
dem Manifest das „Ende der Uebergangszeit" bezeichnet werde. Graf Loris-
Melikoff dringt neuerdings auf seine Entlassung. Dasselbe wird von
Kochanoff, Abaza, Wiljutin, Nicolai und Giers behauptet.
14. Mai. Das nihilistische Executivcomité erläßt eine Ant-
wort auf das Manifest des Kaisers vom 11. d. M. Die Antwort
ist sehr ruhig gehalten und ergeht sich in einer retrospectiven Kritik
der Reformen Alexanders II.; intendirte und angefangene Maßregeln
seien noch keine Reformen: „Die Befreiung des russischen Volkes
wird kommen, weil sie kommen muß.“
15. Mai. Judenkrawalle in Odessa und in anderen Orten.
Auch in Warschau, Petersburg und Moskau werden solche versucht,
aber rechtzeitig unterdrückt.
16. Mai. Die Entlassung des Grafen Loris Melikoff wird
vom Zar „aus Gesundheitsrücksichten“ angenommen und statt seiner
Graf Ignatieff zum Minister des Innern ernannt. Ebenso wird