Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1881. (22)

514 Kahland. (Sept. 16- 21.) 
16. September. Die Regierung dementirt die Angaben, daß 
sie das Tabakmonopol einzuführen beabsichtige. 
22. September. Der Kaiser befiehlt, in den Gouvernements 
locale Commissionen behufs Erörterung der Judenfrage zu bilden. 
Ignatieff als Minister des Innern richtet deßhalb ein Circular an 
die Gonverneure, in dem es heißt: 
„. Nachdem die Regierung die vorgefallenen Excesse und Eigen- 
mächtigkeiten energisch unterdrückt und die Juden gegen Gewaltthätigkeiten 
zu schüben gesucht hat, findet sie es nicht weniger für geboten, unverweilt 
nachdrückliche Maßnahmen zu ergreifen, um die zwischen Juden und flavischen 
Einwohnern bestehenden abnormen Verhältnisse zu beseitigen und die Bevöl- 
kerung vor der schädlichen Thätigkeit der Inden zu wahren, die nach den 
localen Berichten die Unruhen hervorriesen. In Folge meines allerunter- 
thänigsten Vortrages und um die allergenaueste Kenntniß über die ökono- 
mische Thätigkeit der Juden zu erlangen, da eine Zusammenstellung solcher 
Daten, beren allseitige Beleuchtung au Ort und Stelle, wie Vorschläge zu 
Maßregeln zur Inschutznahme der Mehrheit der Bevölkerung vor dem ihr 
durch Juden verursachten Schaden nicht nur sehr wünschenswerth wäre, 
sondern auch der Regierung zugleich als reichhaltiges Material dienen würde, 
geruhte Se. Majestät der Kaiser am 22. Sept. allerhöchst zu befehlen, in 
dem Ihrer Verwaltung anvertrauten Gonvernement, wo die Juden einen 
bedeutenden Procentsatz der Bevölkerung bilden, für die Judenfrage unter 
Ihrem Präsidium eine locale Commission, bestehend aus Repräsentanten ver- 
schiedener Stände und Corporationen unter Zulassung von Juden, einzube- 
rufen, der es obliegen soll, Gutachten und Vorschläge zu formuliren und 
dem Ministerium vorzulegen, hauptsächlich über folgende Fragen: 1) Welche 
Seiten der ökonomischen Thätigkeit der Juden wirken bejonders schädlich 
auf das Leben der Stammbevölkerung der betreffenden Oertlichkeit? 2) Welche 
Hindernisse stören in der Praxis die stricke Anwendung der bestehenden Ge- 
sebe jür Inden in Betreff von Ankauf und Pacht von Ländereien, Spirikus- 
ausschank und Wucher? 3) Welche Aenderungen der bestehenden Verord- 
nungen, Aufhebungen oder Ergänzungen wären geboten, um das Umgehen 
der Gesehe seitens der Juden zu verhindern, und welche legislativen und 
administrativen Maßregeln wären zu ergreifen, um den schädlichen Einfluß 
der Juden in denjenigen Zweigen der ökonomischen Thätigkeit zu paraly- 
siren, auf welche die Commission hindeuten wird? 4) Bei Vorlage der aus- 
gearbeiteten Vorschläge gleichgeitig über folgendes zu referiren: a. Ueber das 
Procentverhältniß der Juden zu den Christen in den Städten, Flecken und 
Dörfern. b. Ueber die Schanklocale, die von Juden persönlich oder sictiv 
durch Christen gehalten werden. c) Ueber die Zahl der christlichen Diensl- 
boten bei Juden oder der Gehülfen im Geschäfte. d. Ueber den Umfang 
der von Juden gekauften und gepachteten Ländereien, und c. über die An- 
zahl der jüdischen Grundbesitzer 
21. September. Ein Ukas des Kaisers ordnet Ausnahme- 
Maßregeln zum Schutz der staatlichen Ordnung und der öffentlichen 
Ruhe, eine Art kleinen Belagerungszustandes namentlich für die 
Gouvernements Petersburg, Moskau, Charkow, Poltawa, Tscher- 
nigow, Kiew, Volhynien, Cherson und Bessarabien an. Die General- 
gouverneure, Gouverneure und Stadthauptmänner werden für solche
	        
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