Mebersicht der polilischen Enlwichlung des Jahres 1881. 549
auch entsprechend größeren in Anspruch nahm. Das halte sich in-
deß wesentlich geändert, seit Hr. Maccio als italienischer General=
consul nach Tunis gekommen war, der es verstand, die italienischen
Elemente energisch zusammen zu fassen, den Frangosen auch auf in-
dustriellem Gebiete Concurrenz zu machen anfing und auf den
schwachen Bey einen Einfluß zu erringen wußte, der denjenigen des
frangösischen Generalconsuls entschieden in Schatten stellte. Instinct-
mäßig und doch unklug stützte sich der Bey lieber auf das ita-
lienische Element als auf das französische und begünstigte es sichtlich
in jeder Weise: von jenem glaubte er für seine Autorität weniger
oder gar nichts befürchten zu müssen, während dieses ihm nur all-
zunahe in der Flanke saß und thatsächlich geradezu eine Art wenig-
stens moralischer Protection über das Land in Anspruch nahm.
Eine Reihe öffentlicher Unternehmungen, für welche Franzosen und
Italiener concurrirten, wurden den letztern anvertrant zum großen
Aerger Roustans, des französischen Generalconsuls, dem dieß ganz
unerträglich schien. Der Wettstreit zwischen beiden erhielt dadurch
immer neue Nahrung und wurde durch die heimische Presse der einen
wie der anderen Nationalität vollends vergiftet. Die Italiener er-
klärten unumwunden, daß sie ihrerseits ein frangösisches Protectorat
über Tunis nimmermehr anerkennten und ließen ziemlich dentlich
durchblicken, daß, wenn die Frage überhaupt gestellt werden sollte,
sie eventuell mehr und bessere Ansprüche auf das Land zu haben
glaubten als Frankreich. Dadurch in ihrer Eitelkeit verletzt, wur-
den die Franzosen erst recht auf die tunisischen Dinge aufmerksam
und bald waren alle Parteien darüber einig, daß es so nicht länger
fortgehen dürfe und daß die Frage in dieser oder jener Weise zur
Entscheidung gebracht werden müsse; ja allmälig dämmerte in Frank-
reich die Idee eines großen Kolonialreichs über ganz Nordafrica
auf, für welches sich der Verlust von Elsaß-Lothringen allenfalls
verschmerzen ließe und das zudem die alte Idee, daß das Mittel-
meer ein französischer See sein müsse, schließlich verwirklichen würde.
Das ging nun freilich nicht nur directe gegen Italien, dem keine
Gelegenheit mehr zu einer mehr oder weniger natürlichen Expansion
bleiben, sondern das geradezu in eine gewisse unvermeidliche Ab-
hängigkeit von Frankreich gerathen würde, sondern widersprach auch
den Interessen anderer Mächte. Die Pforte war geradezu in ihrem
Lebensnerv bedroht, Rußland konnte es wenigstens nicht gern sehen,
wofern sich Frankreich nicht mit ihm über gewisse Compensationen