Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 16.) 93 
zu gehen, dann den großen Herbstmanövern und der Enthüllung 
des Nationaldenkmals auf dem Niederwald beizuwohnen und erst 
im Oktober wieder bleibend nach Berlin zurückzukehren. 
16. Juni. (Preußen.) Abg.-Haus: Kommission für die 
Vorberatung der kirchenpolitischen Vorlage der Regierung vom 5. 
d. M.: schließt ihre Verhandlungen, nachdem sie die Vorlage in 
doppelter Lesung durchberaten hat. Das Zentrum hat seinen Willen 
mit Hilfe der Konservativen durchgesetzt: die konserv.-ultram. Mehr- 
heit hat den Gesetzentwurf gegen die Stimme beider Mittelparteien 
schon in der 1. Lesung völlig umgearbeitet und das Resultat auch 
in der 2. Lesung aufrechterhalten. Der § 4 der Regierungsvorlage 
(Vorbildung der Geistlichen) ist ausgemerzt. 
Der Verlauf der 2. Lesung war kurz folgender: Die allgemeine 
Debatte beschränkte sich im wesentlichen auf Wiederholungen. In der Spezial- 
diskussion wurde zunächst Art. 1 in Verbindung mit Art. 2, der die Be- 
nennung für Verweser eines Pfarramts aufrecht erhält, mit 16 gegen 5 
Stimmen angenommen. Gegen den vereinigten Art. 1 stimmten die drei 
nationalliberalen Mitglieder, der freikonservative Abg. v. Zedlitz und Abg. 
Dr. Meyer (Breslau). Art. 3 wurde mit einem Zusatze augenommen, nach 
welchem die beiden letzten Säte des § 16 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 
außer Kraft gesetzt werden. (Die betreffenden Sätze lauten: „Gegen die Ein- 
spruchserklärung kann innerhalb 30 Tagen bei dem kirchlichen Gerichtshof 
und, solange dessen Einsetzung nicht erfolgt ist, bei dem Kultusminister Be- 
rufung eingelegt werden. Die Entscheidung ist endgültig.“) Art. 4 wurde 
wiederum mit 13 gegen 8 Stimmen verworfen, Art. 5 dagegen mit großer 
Majorität angenommen und ebenso der in erster  Lesung auf den Antrag des 
Abg. Dr. Windthorst beschlossene nene Art. 5 a, wonach einzelne Weihehand- 
lungen, welche von staatlich anerkannten Bischofen in erledigten Diözesen vor- 
genommen werden, straflos bleiben sollen. Art. 6, welcher die dem neuen 
Gesehe entgegenstehenden Vorschriften aufhebt, hatte von Anfang an zu Be- 
denken keine Veranlassung gegeben und wurde unverändert genehmigt. Das 
Gesetz wurde sodann im ganzen mit 18 gegen 8 Stimmen angenommen. 
Gegen dasselbe stimmten die drei nationalliberalen, die drei freikonservativen 
Mütglitder, der sezessionistische Abg. Dr. Meyer (Breslau) und der jorkschritt- 
liche Abg. Büchtemann; für das Gesetz stimmten die sechs konservativen Mit- 
glieder, die sechs Mitglieder des Zentrums und vom Fortschritt der Abg. 
Zelle. Zum Referenten wurde der Abg. Andrae (konserv.) ernannt. Am 
20. d. M. soll der schriftliche Bericht durch die Kommission festgestellt werden. 
Der nunmehrige Antrag der Kommission lautet wörtlich: „Art. 1. 
Die Verpflichtung der geistlichen Oberen zur Benennung des Kandidaten für 
ein geistliches Amt, sowie das Einspruchsrecht des Staats werden ausgehoben: 
1) für die übertragung von Seelsorgeämtern, deren Inhaber unbedingt ab- 
berufen werden dürfen; 2) für die Anordnung einer Stellvertretung oder 
einer Hilfsleistung in einem geistlichen Amte, sofern letztere nicht in der Be- 
stellung des Verwesers eines Pfarramtes (Administrakor, Provisor u. s. w. 
besteht. Art. 2 fällt fort. Art. 3. Die Zuständigkeit des königlichen Ge- 
richtshofes für kirchliche Angelegenheiten zur Entscheidung auf Berufungen 
gegen die Einspruchserklärung des Oberpräsidenten bei 1) übertragung eines 
geistlichen Amtes (§ 16 des Gesehes vom 11. Mai 1873), 2) Anstellung als 
 
	        
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