Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

114 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 8—13.) 
ordnung betr. die äußere Heilighaltung der Sonn= und Festtage 
außer Kraft gesetzt. 
Der Beschluß gründet sich auf die Erwägung, daß die Verordnung des 
Oberpäsidenten in zwei Spezialfällen durch endgültige Entscheidungen des 
königlichen Kammergerichts vom 5. Juli in so weit für ungiltig erklärt 
worden ist, als dieselbe den öffentlichen Handelsverkehr an Sonn= und Fest- 
tagen verbietet und die Schließung der Läden anordnet, und daß die dieser 
Entscheidung unterliegenden Bestimmungen der Verordnung sich als so wesent- 
liche darstellen, daß es nicht angezeigt erscheine, auf eine teilweise Abänderung 
der letzteren Bedacht zu nehmen. Die Regierung hat dem allgemeinen Un- 
willen nachgeben müssen. 
8. August. (Elsaß-Lothringen.) Der Reichtagsabg. Tierarzt 
Antoine wollte in Metz eine neue Zeitung herausgeben in französi- 
scher Sprache und in französischem Sinne: „13 Jahre sind seit der 
Eroberung verflossen und wenn die Gefühlspolitik ihre Zeit gehabt 
hat, so ist es heute die Politik der Aktion, welche alle Hingabe ge- 
bieterisch fordert.“ Ein Erlaß des Statthalters verbietet es auf 
Grund des Diktaturparagraphen. Antoine bestreitet dem Statthalter 
das Recht dazu in einem frechen Schreiben, das der Statthalter 
ohne jede Bemerkung im amtlichen Blatte veröffentlichen läßt. 
9. August. (Deutsches Reich.) Die deutsche Regierung hat 
sich mit der spanischen verständigt. Eine kaiserliche Verordnung setzt 
die ermäßigten Zollsätze des neuen Handelsvertrags vom 14. d. M. 
an in Kraft, ohne erst die Genehmigung des Bundesrats und des 
Reichstags abzuwarten. Die Verordnung stößt jedoch allseitig auf 
entschiedene Bedenken, da die Reichsverfassung die Verordnungsgewalt 
des Kaisers nur nach Anhörung des Bundesrats und nicht in dem 
Sinne, wie sie hier geübt wird, kennt. 
13. August. (Deutsches Reich.) Der Kronprinz erläßt einen 
Aufruf zu Spenden für die schwer heimgesuchte italienische Insel 
Ischia an ganz Deutschland und stellt sich mit Bewilligung des 
Kaisers an die Spitze des Zentral-Hilfskomites. Der Kaiser spendet 
sofort 50,000 .M und sowohl die Reichsbank als die Reichspost be- 
teiligen sich werkthätig und fördernd an der ganzen Organisation. 
Das sind Momente, welche dieser Akion, die weit über den Rahmen 
eines bloß den Impulsen menschlicher Wohlthätigkeit entsprungenen Huma- 
nitätsaktes von Volk zu Volk hinausreicht, das Gepräge einer großartigen 
Sympathie-Rundgebung Deutschlands zu Gunsten Italiens verleihen und 
als neuer Beweis des zwischen den beiden Ländern bestehenden innigen Freund- 
schaftsbandes betrachtet werden müssen. 
13. August. (Deutsches Reich.) Drei türkische Offiziere 
kommen mit zehn jungen Türken, die mit Bewilligung des Kaisers