II.
Die Oesterreichisch-Ungarische Monarchie.
Auf. Jannar. (Ungarn.) Kouflikt der Regierung mit der
sächsischen Nationsuniversität in Siebenbürgen, die sich eine Kritik
der von jener verfassungswidrig gegen die freie Verfügung über ihr
Vermögen durch den ihr aufgezwungenen Vorsitzenden, den magyari-
sierenden Hermannstädter Obergespan und Sachsengrafen Wächler,
ins Werk gesetzten Vergewaltigungen erlaubt.
Die Session der Universität wird von Wächter erst auf 14 Tage ver-
tagt und dann geschlossen. Die Versammlung protestiert gegen die Ver-
gewaltigung fan einstimmig. Die öftentliche Meinung in Deutschland tritt
für die Rechte der Sachsen, die ihr Vermögen hauptsächlich für ihr deutsches
Unterrichtswesen verwenden wollen, gegen die Magyarisierungstendenzen der
ungarischen Regierung laut und energisch ein. Al die ungarische Gesetzgebung
im Jahr 1876 wider die fundamentalen Bestimmungen des die Union Sieben-
bürgens mit Ungarn regelnden Gesetzes den sächsischen Rönigsboden in mehrere
administrativ von einander vollständig losgelöste Komitate zerstückelte, er-
klärte sie zugleich, dae Eigentum des diesem Rönigsboden gehörigen sächsischen
Nationalvermögens achten zu wollen, und bestimmte im Xll. Gesetzartikel von
1876, daß der von den Teilen des ehemaligen Königsbodens zu wählenden
jächsischen Universität die Vertretung des Eigentümers und die Verwaltung
des Nationalvermögens „innerhalb der Schranken der bestehenden Stiftungen“,
welche den größten Teil der Einkünfte zur Erhaltung von Schulen bestimmen,
jowie mit Berücksichtigung aller Konfessionen und Nalionalitäten zukomme.
Das Geseßz behielt der Regierung nur die Aufsicht vor. Dieses beschränkte
Aussichterecht hatte nun die ungarische Regierung durch ihr Wertzeug, den
verhaßten Obergespan und Sachsengrafen Wächter in eine positive Verfügungs-=
gewalt über das sächsische Nalionsvermögen umgewandelt und zwar zunächst.
zum Schaden des deutschen Unterrichtswesens der Sachsen und mit der Tendenz
einer allmählichen Magyarisierung derselben. Dies ist der Kern des Kon-
fliktes. Das Verfahren Tiszas gegen die sächsische Universität trägt ganz den
Stempel jener Rücksichtslosigkeit an sich, welche so dunkle Schatten auf die
den Nichtmagyaren gegenüber befolgte magyarische Polilik wirft. Recht und
Gesetz werden gebeugt, sobald die herrschende Partei hoffen kann, der Magya-
risierung einen Schritt näher zu kommen. Die Konfiskation des sächsischen
Nationalvermögens versetzt dem deutschen Schulwesen der Siebenbürger Sachsen,
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XXIV. Bd. 12