Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

182 Die Oesterteichisch-Ungarische Monarchie. (Anf. Febr.) 
Oesterreich maßgebende Rolle, und der Eindruck herrschl, Oesterreich sei den 
Polen übergeben und sie versuchten es auch, nach Landesbrauch darin zu 
wirtschaften. „Der leitende Staatemann in Oesterreich ist der Finanzminister 
Dr. Dunajewski. Ein pweiter Landemann, der übrigens durchaus geachtete 
Dr. v. Zemialkowski sitzt im Ministerium. Der Präsident des Parlaments 
ist der Pole Dr. Smolka. Den Ausschlag bei allen Abstimmungen gibt der 
Polenklub, dessen Präsident der gewesene „Minister für Galizien“, Dr. v. Gro- 
cholski, ist. Der Gonverneur der an dem Falle Kaminski (rohaft beteiligten 
Regierunge ebank, der „Länderbank“, ist der Graf Wodzicki. Der „Provisions- 
ritter“ ist der Abg. Ramineki, sein „Rechtsfreund“ der Abg. Dr. Wolski, 
und die Bahn, deren anwergebung zu der schmußigen Tripotage Anlaß 
gab, ist die galizische Transversal bahn kurz, wir leben ganz und gar in 
der Ara des polnischen Oesterreich; Gali ien sor ever! Die Sitzungen, 
welche in den letzten Tagen der Polenklub #onbalten waren durchaus Auf- 
führungen der Reichstageszenen aus „Demetrius“. Es soll nicht nur #u 
wildem Durcheinanderschreien, sondern geradewege a eschwungenen Stühlen 
und erhobenen Fäusten gekommen sein. Aber was nützt der Lärm, solange 
die Hauptsache nicht erledigt ist: Wer hat die sech nalhunderttausend Gulden 
erhalten? Der Generalbaunnternehmer Baron Schwarg hatte die dreiprozentige 
Provision im Betrage von 625,000 Gulden thatsächlich bei der Länderbank 
erlegt und damit den Wert der ihm geleisteten Dienste anerkannt. Aber 
Hr. v. Kaminski erhielt davon nur 25,000 Gulden, der ganze Rest ist an 
andere Personen verteilt worden, welche also an diesen wertvollen Diensten 
Auteil genommen haben müssen. Wer sind diese glücklicheren „Provisionäre!" 
Gerücht nennt Namen und zum Teil wieder Namen aus Galizien — 
durchaus Männer, welche sich an das Rezept Ofenheims aus dem Prozesse 
der Lemberg- Gernowitzer Bahn hielten: „Mit Siltensprüchlein baut man 
leine Eisenbahnen.“ Der eigentliche Faiseur bei allen Aktionen der au- 
geblich katholischen“ Länderbank ist der immens reich gewordene polnische 
Spekulant Jakob Nappaport, dessen Hleichnawiger Vetter auch wieder Abge- 
ordneter und Mitglied des Polenklube ist der galigzische Rattenkönig ist 
ichier unentwirrbar.“ Die öffentliche Meinung verlangt mit Ungestüm, klar 
zu sehen, verlangt, daß die Schuldigen ermittelt, aus Licht gezogen und be- 
straft werden, wie hoch sie auch siehen mochten. Wird ihr Genugthuung 
werden? das ist die Frage. 
Anf. Februar. (Ungarn.) Der Mittelschulgesetzentwurf, der 
die deutschen Gymnasien in Ungarn, namentlich die im Sieben- 
bürgischen Sachsenlande geradezu mit dem Untergange bedroht, soll 
den Pester Reichstag demnächst beschäftigen. Er macht daher Auf- 
sehen und ergeugt nicht nur in Ungarn, sondern auch in Deutsch- 
land eine lebhafte Erregung. 
Der Entwurf übertrifft alles bisher Dagewesene an ungarischem Chau- 
vinismus Während früher doch ein Unterschied gemacht wurde zwischen den 
bonjessiouellen und Staatsanstalten, ist dieser Unterschied in dem neuen Ent- 
wurf sehr zurückgetreten. Unverhüllt ergibt sich die Magyarisierung der 
Schule als sein eigentlicher Zweck. Die staatlichen Anstalten dürfen als 
Unterrichtssprache nur das Magyarische haben, gegen die aus sdrückliche Be- 
slimmung des Gesebes, daß für alle Bewohner des Slaates dieser für Unter- 
richtsanstalten zu sorgen habe, in denen die Schüler in ihrer Muttersprache 
unterrichtet werden. Gemeinden, Private, Geellschaiten dürfen nur Gym- 
nasien mit magyarischer Unterrichtssprache errichten. Den Konfessionen steht 
 
	        
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