184 Die Oeslerreichisch-AUngorische Monarchie. (Febr. 6.)
über die Friedenspräsen; bei der Landwehr, welche bisher und mit gutem
Bedacht gesetzlich sestgestellt waren und daher nicht anders als mit Zustim-
mung des Reichsrates geändert werden konnten, nunmehr der Gesjebgebung
entzogen und der kaiserlichen Verordnung vorbehalten werden soll. Das heißt
soviel, als daß die Dienstpflicht des Landwehrmannes im Frieden, welche
bisher gesetzlich dadurch auf ein Minimum beschränkt war, daß die Anzahl
der wehrpflichtigen Personen, welche im Frieden bei den Landwehrkadres den
Militärdienst zu leisten haben, in einer fixen Ziffer ihren Ausdruck fand,
nunmehr dieser Garantie verlustig werden soll, vermehrt oder vermindert
werden kann, je nachdem das militärische Bedürfnis eine Verstärkung oder
Herabminderung der Kadres opportun erscheinen läßt. Damit entsteht eine
der schwierigsten und dornenvollsten Fragen, nämlich die der Abgrenzung
Wwischen der Geseygebung und dem Verordunngerechte der Regierung, eine
Frage, die um so unerwarteter kommt, als sie bisher entschieden und positiv
im Sinne der Kompetenz der Legislative gelöst war.
6. Februar. (Oesterreich.) Herrenhaus: die Schulkommission
legt ihm unter dem Titel „Volksschulgesetnovelle“ in Wahrheit ein
von dem geltenden Gesetze prinzipiell und fundamental verschiedenes
Volksschulgesetz vor, indem es die Rückkehr zur konfessionellen Schule
anbahnt und zugleich wenigstens halb vollzieht und ferner die acht-
jährige Schulpflicht virtuell aufhebl und thatsächlich wieder zur sechs-
jährigen zurückkehrt.
Nachdem ein Antrag des ultramontauen Abg. Hofrat Lienbacher auf
Verkürzung der Schulpflicht im Reicherate zweimal schließlich gescheitert war,
hatte die Regierung zu Anfang des Jahres 1882 selbst eine sog. Schuluovelle
im Herrenhause eingebracht, die auf dem Prinzip der konfessionellen Schule
beruhte. Die in ihrer Mehrheit damals noch liberale Kommission des Herren-
hauses hatte sich das ganze Jahr 1882 vergeblich abgemüht, die Novelle mit
dem bestehenden Volkeschulgesehe irgendwie in Einklang zu bringen, bis es
ihr zuletzt entleidete und sie ihr Mandat niederlegte, worauf die feudal-
llerikale Mehrheit des Hauses eine neue, ihren eigenen Bestrebungen konsorme
KRommission wählte, die denn auch ziemlich schuelle Arbeit lieferte. Die Schule
soll wieder, soweit es zur Zeit nur möglich ist, der Kirche ausgeliefert wer-
den. In demjenigen Teile des Kommissionsberichtes, welcher der Bestim-
mung gewidmet ist, daß fortan der Schulleiter derjenigen Ronfession an-
gehören müsse, zu welcher sich die Majorität der Schüler bekennt, und daß
der Schulleiter die Befähigung nachmweisen, habe, in dieser Konfession den
Mr#imionanwteriich zu erteilen, heißt es: „Die Rommission legt einen um jo
größeren Wert auf die Aufnahme dieser Vestimmung in das Gesetz, als nicht
nur die Religion als der Hauplgegenstand betrachtet werden auuß. worauf
das Volksschulgesetz selbst durch die Einreihung derselben als Lehrgegenstand
an erster Stelle hinweist, sondern auch weil jede Erziehung nach den Grund=
sähen derselben geleitet werden und daher die Leitung der Bolksschule eine
derartige sein noll, daß sie die Religion nach allen Richtungen hin zu berück-
sichtigen habe.“ Das bestehende Volteschulgeseh beruht dagegen auf dem
Grundsatze der Interkonfessionalität. Es will, daß der Unterricht in der
Religion oder, genauer gesprochen, in dem positiven Bekenntnisse des Schülers
nicht vernachlässigt werde und einen Teil der Erziehung ausmache; aber da-
mit begnügt es sich auch. Die staatliche Oberanfsicht über die Schule bleibt
im übrigen neutral gegen alle Konfessionen, und nur so war es möglich,
Schüler verschiedener Konfessionen an derselben Schule friedlich zu vereinigen