Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

220 Tie Oesterreichisch-Ungarische Monarchit. (Juli 2324.) 
einer solchen Maßregel für die Interessen der Stadt Wien und des 
österreichischen Gesamtstaats lebhaften Ausdruck gibt. 
23. Juli. (Böhmen.) Landtag: Rieger und 71 Czechen be- 
antragen die Wahl einer Kommission von 15 Mitgliedern behufs 
Vorberatung der Landtagswahlordnungsreform, welche in der nächsten 
Session vorzulegen und durch die das Wahlrecht rücksichtlich der Be- 
völkerung und der Steuerleistung gleichmäßig zu verteilen und die 
Wahlbezirke derart abzugrenzen wären, daß beiden Volksstämmen 
gleiches Necht werde. Die Kommission foll auch die Teilung des 
nichtfideikommissarischen Großgrundbesitzes in mehrere Wahlbegirke 
und die Ausdehnung des Wahlrechtes auf die Fünfguldenmänner 
erwägen. 
Der letztere Zusatz läßt keinen Zweifel darüber, worauf Rieger und 
Genossen eigentlich abzielen = den Czechen auf alle Zeiten hinaus die Mehr- 
heit im Landtage Zu sichern, was jent doch nur mit Hilfe der Regierung ge- 
lungen ist. Nieger verlangt nämlich eine Teilung des böhmischen Groß- 
grundbesitzes, und zwar bloß der nichtfideikommissarischen Gruppe, in Wahl- 
kreise, nach dem Muster der vom Reichsrate beschlossenen Wahlreform. 
Rieger will die Landtags zwahlreform des zhalb auf den fideikommissarischen 
Großgrundbesitz nicht ausgedehnt wissen, weil in demselben die feudale Purkei 
die überwiegende Majorität besitzt, womit die sechzehn Landtagsmandate dieser 
Gruppe den Czechen unter allen Umständen gesichert find. Anders liegen die 
Dinge beim nichtfideikommissarischen Großgrundbesib. In dieser Gruppe ent- 
scheidet der Einfluß der jeweiligen Regierung, und damit ist die Möglichkeit 
wohl nicht ausgeschlossen, daß wieder einmal die Deutschen die Majorität er- 
langen. Dem soll ein Niegel vorgeschoben werden, und deshalb beantragt 
Nieger die Teilung speziell des nichtfideikommissarischen Großgrundbesitzes. 
Daß die Dentschen! auf diesen Vorschlag zur Güte nicht eingehen werden, ist 
selbstverständlich. Der Landtag kann immerhin den Resolntionsantrag Niegers 
annehmen und der Landesausschuß dann einen Gesetzentwurf einbringen — 
zum Gesetze selbst wird derselbe nie werden, solange die deutsche Minorität 
im böhmischen Landtage mehr als ein Fünftel der Mitgliederzahl beträgt. 
Die Absentierung von der Beratung über die betreffende Vorlage und damit 
die Vercitelung des Zustandekommens derselben ist die einzige Antwort, mit 
welcher die Deutschen jeden Versuch, sie zur ewigen Minorität zu verdammen, 
zurückweisen müssen. 
24. Juli. (Oesterreich-Ungarn.) Graf Kalnoky, der Mi- 
nister des Auswärtigen, macht dem deutschen Kaiser in Gastein 
seine Aufwartung und wird von demselben mit der Verleihung des 
schwargen Adlerordens ausgezeichnet. Man schließt daraus, daß die 
deutsche und die österreichisch-ungarische Politik sich in vollstem Ein- 
verständnisse befinden und daß die Differenz, die allem Anscheine nach 
zu Ende des vorigen Jahres zwischen ihnen eingetreten war oder 
doch einzutreten gedroht halte, wieder vollständig ausgeglichen und 
beseitigt sei. 
 
	        
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