228 Die Oeeerreichisch-Ungarische Monarchie. (Aug. 27 — Sept. 2.)
die Beschlüsse der ungarischen Regierung nicht durchgeführt werden
können.
Die „Agramer Ztg.“, das Organ der bisher im Einverständnis mit
dem Banus herrschenden National= und Regierungspartei, erklärt neuerdings:
„Deu übergriffen von seite Ungarns gegenüber stehen alle Kroaten wie ein
Mann zusammen. Zwischen der Nationalpartei und der Partei des Dr.
Starcevics (die offen für eine vollständige T Trennung von Ungarn und für die
Aufrichtung eines großkroatischen Reiches eintritt und agitiert), obwohl sie
sich sonst bis auf den Tod hassen und versolgen, gibt es in dieser Hinsicht
keinen Unterschied, und wenn es einen geben sollte, so bestände er vielleicht
darin, daß die Nationalpartei die bestehenden Errungenschaften, den bestehen-
den Zustand viel eifriger wahren wird, als die extreme Partei."
27. August. (Ungarn.) Im südwestlichen Ungarn, nament-
lich im Zalaer und in einem Teile des Somogyer Komitats gehen
die Judenhetzen immer weiter. In den von Militär stark besetzten
Städten herrscht zwar Ruhe, aber aus dem flachen Lande sollen die
Zustände geradezu haarsträubend sein:
„Zu Hunderten, mitunter zu Tausenden, ziehen die Bauern, mit
Sensen, Axten, Heugabeln, Knütteln 2c. bewaffnet, zumeist in die Nachbar-
dörfer, um daselbst schreiend, johlend, singend die Jndenhäuser zaufzusuchen,
daselbst alles zu gertrümmern, zu plündern und zu rauben. Sie sind un-
Fweifelhaft wohlorganisiert und geführt, denn sie werden von Leuten mit be-
rußten Gesichtern, die mitunter sogar in Frauenkleidung silecken, angeführt.
Heute bereits sind viele hundert Familien an den Bettelstab gebracht, und
wenn die Regierung dem wüsten entsetzlichen Treiben mit derfelben Lauheit
begegnen wird, wie bisher, werden es bald Tausende sein. Bei den plündern-
den Haufen ist der Glaube verbreitet, daß ihnen nichts geschehen werde, und
die Thatsachen bestärken sie wirklich in ihrer Ansicht. Die Lokalbehörden
sind auch dort, wo guter Wille vorherrscht — es soll dies nicht überall der
Fall sein — der entfesselten Bestie gegenüber vollkommen ohnmächtig und
schauen der vandalischen Verwüstung, die Hände im Schoße, zu; das Militär
kommt in zu geringer Anzahl an zu wenige Orte und meist erst dann, wenn
es bereits zu spät ist.“
30. August. (Ungarn.) Da der zurückgetretene kroatische
Banus Pajacsevicz sich positiv weigert, bis zu seiner Ersetzung durch
einen Nachfolger die Beschlüsse der ungarischen Regierung noch durch-
zuführen, so faßt der ungarische Ministerrat einhellig neue Beschlüsse
und geht Tisza nach Wien, um die Genehmigung derselben seitens
der Krone zu erwirken.
30. August — 1. September. (Oesterreich-Ungarn.) Der
deutsche Reichskanzler konferiert in Salzburg auf der Durchreise
nach Gastein mit dem zu diesem Ende dahin gekommenen Minister
des Auswärtigen, Grafen Kalnoky.
2. September. (Ungarn: Kroatien.) Eine Konferenz der
leitenden ungarischen Minister mit den gemeinsamen Ministern ge-
nehmigt einstimmig die von der ungarischen Regierung gefaßten und