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und festere# Material für die Propaganda der Jerftörung abgibt, als beim
harmlosen, rohen Bauern Rußlands Zu finden war. Die Verteidigung gegen
diesen zum Teil unter dem Schutze der Regierung selbst sich entwickelnden
Nihilismus nimmt natürlich einen großen Aufwand von Sorge und Kraft
der Staatsregierung in Anspruch auf Kosten auderer kaum weniger dringen-
der Aufgaben. Von all den zahlreichen Rommissionen, die seit Jahren nieder-
gesetzt wurden, hat keine ein greifbares Resultat aufzuweisen oder ihre An-
träge sind unbaachtet geblieben. So liegen die Pläue berghoch in der Residenz;
aufgehäuft, die schönen Pläne vom nenen Givilgesetzbuch, von Hypotheken-
ordunng, von Wassergesetz und wie sie alle heißen. Peters eburg, die Zentral-
regierung, will alles machen und thut daher nichts, das ist die immer wieder
wahrnehmbare Ursache dieser Stagnation. Wollte man dezentralisieren, so
bliebe noch immer cinige Hoffnung übrig. daß man mit halbgeschundener
Haut aus diesem Sumpf herauskäme. Die Zentralbehörden sind überfüllt
und arbeiten fast gar nicht, die wichtigsten Geschäfte werden einfach beiseite
gelegt, nur die große Politik bringt noch gelegentlich etwas Leben in einige
Zweige. Wie die Volkswirtschaft bestellt ist, zeigt der Handel. und der Geld-
kurs, die beide in erschreckendem Rückgang sich befinden. überall ist die
Arbeit gelähmt, sei es durch ungünstige Gesetzgebung, sei es durch mangelnde
Gesehgebung, sei es durch Mißverwaltung oder durch Abwesenheit von Ver-
waltung. Die Verwirrung hat ein Maßj erreicht, daß auch ein Herkules an
administrativer Kraft ratlos wäre.
3. November. Die ersten Anknüpfungen resp. Unterhand-
lungen des Finanzministers behufs Abschlusses einer auswärtigen
Anleihe sind gescheitert.
10. November. Der Reichsrat nimmt die ihm vom Unter-
richtsminister Deljannoff vorgelegten und vom Minister Tolstoi be-
fürworteten neuen Universitätsstatnten, die den Universitäten selbst
jede Freiheit entziehen und die Studenten in allem und jedem regle-
mentieren und bevormunden wollen, sehr ungünstig auf. Ihre Ver-
werfung gilt bereits für ausgemacht.
11. November. Der Minister des Auswärtigen v. Giers geht
wieder wie voriges Jahr zum Besuch seiner kranken Tochter nach
Montreux und nimmt dabei seinen Weg wiederum über Berlin und
Friedrichsruhe. In den höchsten Regionen Rußlands scheint ein
totaler Umschwung eingetreten zu sein. Giers verständigt sich mit
dem deutschen Reichskanzler über eine aufrichtig friedliche Politik,
über eine Wiederherstellung des früheren so intimen Berhältnisses
zwischen Nußland und Preußen und über einen näheren Anschluß
Rußlands an das deutsche Reich und seine Friedenspolitik.
19. November. Das neue Verhältnis zwischen Rußland und
Deutschland tritt sofort darin zu Tage, daß die russische Regierung
zwei Kriegsschiffe beordert, den deutschen Kronprinzen in Genua bei
seiner Einschiffung nach Spanien freundlich zu begrüßen.
20. November. ÖOstseeprovinzen: an 6 Professoren der Uni-