Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

6 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 7—9.) 
standes beim Reiche hinwirken auf entsprechende außerordentliche, Ersparnisse 
im Reichshaushalt und insbesondere  in der Militärverwaltung:;: 2) die Frage 
der Hagelentschädigung ernstlich in Erwägung ziehen.“ — Die letzten Land- 
tagswahlen (s. 20. Dez. 1882) haben bloß insoferne für die Volkspartei ein 
ungünstiges Resultat ergeben. ihre hervorragendsten Führer im Wahl- 
kampfe unterlegen sind. Im dlinun ist aber, wie Karl Mayer der Landes- 
versammlung milleilt, die Linke in der Kammer von 21 auf 23, die Fraktion 
der Volkspartei von 7 auf 12 und die Gesamtsumme der für sie abgegebenen 
Stimmen von 73,000 (bei der Reichstagswahl) auf 84,000 gestiegen. 
7. Januar. (Deutsches Reich.) Ein Handelsvertrag und 
ein Konsularvertrag zwischen dem deutschen Reich und Serbien werden 
in Berlin unterzeichnet. 
7. Januar. (Preußen.) Eine Verfügung des preußischen 
Landrates von Hadersleben urgiert die Gemeindevorsteher, an alle 
dänischen Unterthanen, welche daselbst ihren ständigen Aufenthalt 
haben, im laufenden Jahre ihr 20. Lebensjahr vollenden und somit 
in dasjenige Alter treten, wo ihre Militärdienstpflicht beginnt, die 
Aufforderung ergehen zu lassen, sich bis zum 1. Februar zur Stamm- 
rolle anzumelden, widrigenfalls sie des Landes verwiesen werden 
würden. 
Nach einem Kommentar, welchen die „Nordd. Allg. Ztg.“ zu dieser 
Verfügung liesert, ist die Zahl der in Nordschles wig lebenden däuischen Staats- 
angehörigen  bereits auf elwa 25.000 angewachsen und in stetiger Zunahme 
begriffen. Die preußische Regierung habe niemals daran gedacht, für die 
Nachkommen der dänischen Optanten ein mit der staatlichen und militärischen 
Ordnung unvereinbares Privilegium zu schaffen. Dieselben müßten daher, 
wenn sie sich nicht für die deutsche Staatangehörigkeit entscheiden, innerhalb 
er von der Behörde hiefür gestellten Frist auswandern oder die Answeisung 
über sich ergehen lassen. 
9. Januar. (Deutsches Reich.) Wiederzusammentritt des 
Reichstags. Derselbe ist noch spärlich besucht und wäre im Grunde 
wohl kanm beschlußfähig. Inzwischen erscheint, obwohl körperlich 
angegriffen, unerwartet der Reichskanzler, um dem Reichstag die 
Mitteilung einer Ordre des Kaisers zu machen. Dieselbe lautet: 
„Auf Ihren Bericht vom heutigen Tage will Ich als Beihülfe zur 
Linderung der augenblicklichen Notstandes und um den Gedanken zum Aus- 
druck zu bringen, daß das gesamte Reich einen so schweren Notstand einzelner 
Teile des Reiches mitempfindet, aus Meinem Diepositionsfonds bei der Reichs- 
hauptkasse die Summe von 600,000 Mark bewilligen, und beauftrage Sie 
deren Verwendung mit möglichster Beschleunigung herbeizuführen.“ (Leb- 
hafter Beifall von allen Seiten.) Fürst Bismarck fährt fort: Es liegen ja 
Anträge einzelner Regierungen vor, die jedoch nicht sofort zu verwirklichen 
sind wegen der Mitwirkung der Parlamente und weil die einzelnen Regie- 
rungen die Wiederherstellung des status quo ante im Auge behalten möchten, 
also was man in Preußen früher Retablissementsgelder nannte. Hier handelt 
es sich um etwas anderes, um die Linderung der angenblicklichen Not, wofür 
die vorhandenen oder noch aufzubringenden Mittel bei weitem nicht aus-
	        
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