Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Utbersicht der polilischen Enlwichelung des Jahres 1883. 417 
liegen, gleichviel ob diese nun eine konservative, liberale oder radi- 
kale sei. Offenbar hat die große Mehrheit der Wähler von ihren paniens 
konstitutionellen Rechten und Pflichten gar keinen Begriff und ist innere 
denselben gegenüber vollkommen gleichgültig. Unvermittelt stehen sichuitände 
die politischen Gegensätze als Ertreme gegenüber: auf der einen 
Seite die ohne Zweifel größere Hälfte der Nation, die sogen. Kon- 
servativen, die den religiösen und politischen Anschauungen und Be- 
strebungen der Kirche Fiemlich willenlos folgt, noch nicht bis zu 
der Idee eines selbständigen Staates neben der Kirche durchgedrungen 
und im Vergleich mit fast allen übrigen europäischen Nationen in 
ihrer Entwickelung stark zurückgeblieben ist; auf der anderen Seite 
aber die kleinere Hälfte, immerhin eine starke Minderheit, welche 
ihrerseits dem Fortschrikt huldigt, aber dabei weit über das Maß 
der gegebenen Zustände hinausschießt, unverdauten republikanischen 
Ideen huldigt und ihr Ziel durch Gewalt, durch Aufstände, na- 
mentlich in der Form militärischer Pronunciamentos, zu erreichen 
sucht. Die Vermittlung liegt ausschließlich in den Händen der 
Krone, wenn sie ihre Aufgabe versteht und König Alfons scheint sie 
zu verstehen. Wenn Spanien gesunden soll, so muß die Ara dieser 
gewaltsamen Umwälzungen, dieser militärischen Pronunciamentos 
ein für allemal geschlossen und das Land einem allmählichen, be- 
sonnenen Fortschritt, eben auf Grund der gegebenen Zustände, ent- 
gegengeführt werden. Das ist die Aufgabe der Monarchie in 
Spanien und kann fast nur von ihr übernommen werden, eine 
große, aber allerdings auch schwierige Aufgabe. König Alfons hat 
sie übernommen und scheint auch das Zeug in sich zu haben, sie 
durchzuführen. Ob es ihm gelingen wird, ist freilich eine andere 
Frage, aber er versucht es wenigstens und mit Energie und, wie 
man annehmen muß, aufrichtig. Als er durch die sogen. Konser= 
vativen zur Gewalt gekommen war, mußte er sich natürlicherweise 
zunächst auf diese stützen, aber sobald als möglich ging er vom 
Ministerium Canovas zu einem gemäßigt liberalen Ministerium 
Sagasta und von diesem sogar zu einem gemäßigt radikalen der 
sogen. Serranisten über, freilich nur, um schließlich doch wieder auf 
Canovas und die Konservativen zurückzugreifen, da die Radikalen 
ihn allzuweit nach links zu drängen suchten, wo er die Zügel aus 
den Händen verloren hätte. Seiner Erziehung und seinem ganzen 
Wesen nach ein durchaus moderner Monsch, ist er doch entschlossen, 
die Monarchie in Spanien um jeden Preis aufrecht zu bhalten und 
Schulthess. Gurop. Geschichtskalender. XXIV. Vd.
	        
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