Uebersicht die polilischen Enlwickelung des Jahres 1883. 421
ausfgenommenen Prolokollen hat aber nie etwas verlantet. Noch weniger
jedoch ist das bezüglich der erneuerten Freundschaft mit Rußland der
Fall. Die eine der beiden großen Gefahren, die dem Frieden Europas.
drohten, ist damit thatsächlich weggefallen, während die anderc, diejenige
von feiten Frankreichs, dadurch und sonst wenigstens stark Zurück getreten
ist. Dennoch bestehen die Bündnisse alle fort, ja sind, selbst nachdem
der nächste Zweck erfüllt erscheint, allem Anschein nach nur noch
inniger geworden. Der Grund dieser Erscheinung kann, außerdem
daß die Erhaltung des Friedens selbstverständlich der erste und letzte
Zweck ist und bleibt, nur darin gesucht werden, daß die Bündnisse
alle auf den sorgsältig abgewogenen realen Interessen aller dieser
Staaten ruhen und ihnen für diese Interessen denjenigen Schutz
und diejenige Sicherheit gewähren, die sie in Anspruch nehmen
müssen, wenn sie sich nicht selbst ausgeben wollen. Mit zu-
sammengehaltener Kraft wacht der deutsche Reichskangler über der
gewissenhaften Beobachtung dieser Interessen und hütet sich wohl,
in Beziehungen und Zustände eingugreifen, die ihn zunächst nicht
berühren und den allgemeinen Frieden zunächst nicht bedrohen, oder
läßt sie ruhig erst auf einen Punkt heranreifen, der sein Eingreifen
erfordert, dann aber auch mit allgemeinem Einverständnis ermög-
licht. Das Maßvolle dieser wahrhaft deutschen Polilik des Fürsten
Bismarck wird denn auch allgemein anerkannt und gerade das
Manvolle derselben ist es, was ihm den ungeheuren Einfluß, den
er nach allen Seiten ausübt, verschafft hat und sichert.
Menschlichem Ermessen nach ist eine Störung des Friedens,
so lange die Leilung der europäischen Dinge in den Händen des
deulschen Reichskanglers bleibt, nicht zu besorgen.
Gegenüber den sich stetig ausdehnenden Friedensbündnissen blieb Frank.
Frankreich nichts anderes übrig, als sich zur Geduld und zum Zu= reiche
warten zu entschließen. Inzwischen sucht es sich für seine Verlusteenia
zu entschädigen und seine Macht auszudehnen da, wo es kann, außer= bungen.
halb Europas. Früher wohl war Frankreich auch eine große Ko-
lonialmacht gewesen, aber die Zeit ist längst vorüber; bis auf kleine
Reste sind ihm alle seine großen und zahlreichen Kolonien wieder,
meist an die Engländer, verloren gegangen. Jeht tauchte die Er-
innerung daran wieder mächtig auf. Sich bloß zu sammeln und
inzwischen zu gedulden und die zweite Rolle in Europa zu spielen,
entsprach dem Charakter der Frangosen ganz und gar nicht und er-
schien ihnen als ein völlig unerträglicher Gedanke. War es vorerst