Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

8 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 10.) 
Der deutschen Fraktion gehören bis jetzt 32, der liberal- konservativen Frak- 
tion 24, der radikalen Linken 23 Mitglieder an, außerdem sind 7 sog. Wilde. 
Der Finanzminister bringt das Budget für 1883-85 ein. In dem 
begleitenden Vortrag bezeichnet er die Finanzlage als eine im ganzen befrie- 
igende; es werden zwar die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des 
Jahres 1882 noch in der neuen Finanzperiode ihre Wirkung auch auf den 
Staatshaushalt äußern; diesem Umstand sei aber bei der Bearbeitung des 
Etats eine maßgebende Bedeutung nicht beigelegt worden, da zu hoffen sei, 
daß nach so ernster Zeit bessere Jahre wiederkehren werden. Die beiden Jahre 
der abgelaufenen Finanzperiode betreffend, so würden aus dem Jahr 1881/82  
etwas mehr als 700,000 M. zur Feststellung des Gleichgewichts für 1883/85 
verwendet werden können, dagegen werde das Jahr 1882/ 83 infolge der un- 
günstigen Witterungeverhältnisse des Jahres 1882 von denen die Landwirt- 
schaft so schwer betroffen wurde und durch die auch mehrere Haupteinnahme- 
quellen der Staatskasse einen empfindlichen Rückgang erleiden werden, ohne 
Zweifel mit einem Defizit abschließen. Trotzdem konnte der neue Etat ohne 
eine Steuererhöhung aufgestellt werden; andererseits dürfe man allerdings 
auch nicht an irgend welchen Steuernachlaß denken, insbesondere verlange die 
Finanzlage die Beibehallung des von der letzten Kammer beschlossenen, wäh- 
rend der Wahlagitation von der Opposition so heftig angegriffenen erhöhten 
Satzes der Malzsteuer; ein Ersatz dafür ließe sich, wie der Vortrag des 
Finanzministers ausdrücklich hervorhebt, jetzt nicht ausmitteln. Aus der Vor- 
lage ergibt sich, deß die Gesamtsumme der württembergischen Staatsschuld 
sich auf 423,931,707 M.  76 J. beläuft: davon entfallen auf die allgemeine 
Staatsschuld 49,881,550   M, auf die Eisenbahnschuld 374, 050, 157 M. Zur 
Verzinsung der Staatsschuld sind pro 1883.84 ,71 401,229 M, pro 1884/ 85 
17, 503,079 M. erforderlich. Die Tilgung der Eisenbahnraten beträgt pro 
1883/84  1,688,655 M, pro 1884 /85 1,753, 890 . M. Die Tilgung soll mittelst 
eines Anlehens erfolgen. 
10. Januar. (Preußen.) Abg.-Haus: die Regierung läßt 
demselben die schon vorher angekündigte Notstandsvorlage zugehen. 
Nach derselben wird der Staatsregierung ein Betrag von 3.000,000 M. = 
für die im Stromgebiete des Rheins durch das Hochwasser herbeigeführten 
Verheerungen zur Verfügung gestellt, um nach Maßgabe des nachgewiesenen 
Bedürfnisses Beihilfen zu bewilligen, insbesondere a) an einzelne Beschädigte 
zur Erhaltung im Haus= und Nahrungsstand, b) an Gemeinden zur Wieder- 
herstellung ihrer beschädiglen gemeinnützigen Anlagen, c) zur Wiederherstellung 
und zur nothwendigen Verbesserung der beschädigten Deiche und Uferschutz- 
werke und für die damit in Verbindung stehenden Anlagen. Beihilfe an 
einzelne Personen und Gemeinden können bis zu 1,200,000 M. ohne Auflage 
der Rückgewähr, darüber hinaus als Darlehen bewilligt werden. Verzinsungs- 
und Rückgewähr, darüber hinaus" als Darlehen werden von der Staatsregierung 
bestimmt. 
— Januar. (Deutsches Reich.) Die Ausrüstung auch des 
zweiten, bisher noch mit dem Werder-Gewehr bewaffneten bayerischen 
Armeekorps mit dem Mauser-Gewehr N. 71 wird jetzt als beendet 
bezeichnet. Die einheitliche Bewaffnung der stehenden deutschen Armee 
würde also mit 1882 ihren Abschluß erzielt und der Vorgang dieser 
Neuausrüstung im ganzen 11 Jahre, nämlich den Zeitraum von 
1871 ab, in Anspruch genommen haben. Bereits seit 3 Jahren und 
 
	        
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