434 Mebersicht der polilischen Eutwichelung des Jahres 1883.
Schwäche, die tief sitzt und nur durch ganz ungeheure Anstrengungen
und Opfer, zu deuen es sich nicht entschließen kann, zu überwinden
wäre. In Agypten hat es ein Fiasko gemacht, das überall Schaden-
freude hervorrief und das Frankreich sofort auch zu seinem Vorteil
zu benützen gedachte. Die Zustände in Agypten können unmöglich so
bleiben wie sie sind, und wenn England dies noch nicht eingesehen
haben sollte, so wird es dies jedenfalls noch einsehen und dann auch
anerkennen müssen.
Das Mit der stetigen Ausdehnung der Macht des deutschen Reiches
*Wd- außen hat die Entwickelung desselben im Innern auch im
" Jahre 1883 nicht Schritt gehalten. Jene liegt eben ausschließlich
in der Hand des Reichskanzlers, die öffentliche Meinung überläßt
ihm die Leitung aller auswärtigen Angelegenheiten im Ganzen wie
im Einzelnen mit geradezu bedingungslosem Vertrauen und auch
der Reichstag fuhr fort, sich wohl zu hüten, ihm darin irgendwie
einreden zu wollen. Die innere Entwickelung hängt dagegen ganz
und gar von einem aufrichtigen Zusammenwirken des Reichstags
mit dem Kanzler ab und dieses fehlte im Jahre 1883 wesentlich
ganz ebenso wie in den Jahren vorher. Doch sind immerhin einige
Wirt. Fortschritte zu verzeichnen. Zwar in der sog. Finanz= und Wirt-
schafts= schaftsreform hat der Kanzler mit seinen Bestrebungen keine wei-
ns teren Fortschritte gemacht. Sein Ziel, das Reich auch finanziell
Sozial, vollständig auf eigene Füße zu stellen und von der ursprünglichen
—W Abhängigkeit von den Einzelstaaten loszulösen, ist ihm im Jahre
1879 doch nur halb gelungen und durch die Frankenstein'sche Klausel
prinzipiell vereitelt worden. Immerhin war die damalige Errungen-
schaft doch eine sehr wefentliche. Die Einzelstaaten, deren Finanzen
bis dahin durch die stets steigenden Matrikularumlagen geradezu
erdrückt zu werden drohten, haben sich in ihrer Finanzlage ganz
wesentlich gehoben und konnten im Jahre 1883 ihre Budgets samt
und sonders ohne Defizit feststellen, da ihre früheren Matrikular-
beiträge thatsächlich ganz weggefallen oder doch auf ein Minimum
herabgesunken sind. Allein das Gleichgewicht ist doch nur ein sehr
knappes und dieses kann sich bei den stets steigenden eigenen Bedürf-
nissen derselben wie bei den gleichfalls stets steigenden Anforderungen
an das Reich und demgemäß den Anforderungen des Reiches an sie
doch jeden Augenblick wieder in Defizits umwandeln. Momentan
jedoch waltet die Neigung vor, sich dabei zu beruhigen und die
Mehrheit wenigstens des gegenwärtigen Reichstags ist offenbar nicht