Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 15.) 11
änderte Zuständigkeit der Behörden durch überweisung der Armenbeschwerden
kleinerer Städte an die Kreisausschüsse (statt an die Bezirksbehörde) und Kon-
gentration der Aussichtfunktionen in den Händen der Einzelbeamten: endlich
die Vereinfachung des Instanzenzuges (eine Beschwerdeinstanz in Armen-
beschwerdesachen, zwei Instanzen in Schanksachen, Beschränkung des Ober-
verwaltungsgerichts auf die Revisionsthätigkeit bezüglich der Fragen über
Kommunallasten, Beschränkung der Ministerial- und Provinzialinstanz auf
besonders. bezeichnete Ausnahmefälle. In der Debatte verteidigt Minister
v. Puttkamer seine Vorlagen: ine Reorganisation sei notwendig, weil
sich darum handle, ein System, das sich in der Ausführung als mangel-
hast erwiesen, auf die gesamte Monarchie zu erstrecken; diese Mängel dürften
eben nicht mit übernommen werden. Die Revisionsbedürftigkeilt des jetzigen
Zustandes der Verwaltung sei anerkannt; die Regierung schlage bei dieser
Revision gleichzeitig eine Vereinfachung des ganzen Systems vor. Der wesent=
lichste Mangel des bisherigen Systems liege in der Doppelreihigkeit der Ver-
waltungsbehörden; dazu komme eine Unübersichtlichkeit der Widerspruchsfälle
und Kompetenzen. Um diese Mißstände zu beseitigen, sei es nötig. alle
Streitsachen bei einem Verwaltungsgerichte zu vereinigen und den Vorsitz im
Gerichtehofe den Regierungepräsidenten zu übergeben. Er sei nicht richtig,
zu verlangen, daß überall die Verwaltung von der Verwaltungejustiz ge-
trennt werde; das müßte in letzter Konseqnenz zur Auflösung des Staates
führen. Die vorgeschlagene Gestaltung des Verwaltungsgerichte werde allen
Ansprüchen an Rechtsschutz und Rechtssicherheit genügen. Einer vollständigen
Umarbeitung im Sinne der Vereinfachung sei dar Kompetenzgesetz unterzogen.
Auch auf polizeilichem Gebiete wolle die Regierung durch Vereinfachung des
Beschwerdeweges gegen Verfügungen den Rechtsuchenden Mittel gewähren zur
Erlangung ihres Rechts. Dagegen greift Gneist, der in diesen Fragen als
die größte Autorilät anerkannt ist, die Vorlage aufs nachdrücklichste an: die
Gestaltung der Verwaltungsbehörden, wie sie jetzt ist, sei nach den umfassend-
sten Verhandlungen beschlossen worden, um eine möglichst große Rechtekontrole
zu haben, die in einem Kollegium sicherer liege, als in einer einzelnen Person.
Die Kollegialverwaltung sei der Charakter der ganzen Verwaltungs- organi-
sation; dies solle hier beseitigt werden. Die jetzige Gesetgebung sei im Sinne
der konstitntionellen Monarchie, sie beruhe in den Grundsätzen Steins und
Hardenbergs. Als Triebfeder der ministeriellen Vorlage bezeichnet Gneist
geradezu die Abneigung der Verwaltungsbeamten gegen die Verwaltungs-
justiz. Den Regierungspräsidenten ist er unangenehm, ihre Entscheidungen
dem Urteile der absolut unabhängigen Verwaltungsgerichte unterwerfen zu
müssen; deshalb ioll der Regierungspräsident an die Spitze der letzteren treten.
Alle weiteren Abänderungen haben nur den Zweck, diese Verschmelzung von
Verwaltungsbeschlußbehörde und Verwaltungsgericht praktisch durchführbar
zu machen. v. Heydebrand und v. Lasa: die Selbstverwaltung leide an
gelehrter Hypertrophie; diese müsse beseitigt werden. Die Vereinfachung sei
eine unausweichliche Forderung, die Vorlagen entsprächen dem Bedürfnis.
Meyer (Breslau) meint dagegen, die Vorlagen ließen von der ganzen Ver-
waltungsgerichtsbarkeit nichts übrig als den Namen. Bruel: die Vorlagen
der Regierung empfählen sich durch die wesentliche Vereinfachung des Ver-
fahrens. Es bleibe nur zu prüfen, ob auch der Rechtsschutz genügend ge-
sichert sei und ob Vorteile oder Nachteile wesentlich überwiegen.
15. Jannar. (Elsaß-Lothringen.) Eröffnung der Session
des Landesausschußes,
derselbe tagt zum erstenmal in seinem eigenen, wenn auch nur pro-
visorischen Gebäude und verhandelt zum erstenmal nach dem Beschluß des